22.10.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Vier gegen einen auf
dem dunklen Parkplatz

Angegriffener wehrt sich schließlich mit einem Messer

Von Thomas Hochstätter
(Text und Foto)
Bad Oeynhausen (WB). Einer sitzt auf seinem Oberkörper, drei andere Angreifer prügeln und treten auf ihn ein. Plötzlich hat der 20-jährige Oeynhausener ein Messer in der Hand und sticht zu. Ob sich das Handgemenge im Anschluss an das Weinfest 2004 so oder anders zugetragen hat, musste am Freitag das Oeynhausener Amtsgericht klären.
Handgemenge Im Dunkeln: Auf diesem Parkplatz einer Versicherung an der Portastraße spielte sich die Auseinandersetzung nach dem Weinfest 2004 ab.
»Was war denn nun der Anlass der Auseinandersetzung?«, fragte die Staatsanwältin immer wieder. Doch sie bekam keine schlüssige Antwort von den vier Angeklagten. Die drei 19-jährigen und der 25-jährige Bad Oeynhausener boten nur wahlweise an, geschubst oder »angemacht« worden zu sein. Vielleicht hatten sie aber auch eine junge Frau schreien hören und wollten ihr zu Hilfe kommen. Doch das glaubten den vier Angeklagten weder Richterin noch Staatsanwältin. Denn drei der vier Angeklagten waren schon zu früherer Zeit handgreiflich mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
Diesmal wurden sie blass bei der Urteilsverkündung: Der Älteste wurde zu acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und einer Geldbuße von 1 200 Euro verurteilt. Zwei der 19-Jährigen kamen wegen »Entwicklungsverzögerung« mit Jugendstrafrecht und Dauerarreststrafen von zwei und drei Wochen davon. Der dritte muss 800 Euro zahlen. Und er fühlte sich am ungerechtesten behandelt. Denn er war es, der das Messer abbekommen hatte: eine zwölf Zentimeter tiefe Wunde am Brustkorb, zu dessen Behandlung ihm auch noch eine Rippe gebrochen werden musste.
Den Ausschlag hatte offenbar die Aussage der 20-jährigen Mindenerin gegeben, denen die Angeklagten zu Hilfe gekommen sein wollten. Sie brauchte gar keine Hilfe, erklärte sie. Sie sei nämlich bloß weggelaufen vor ihrer angeheiterten Gesellschaft. Die anderen hatten im Anschluss an den Geburtstagsumtrunk eines Bekannten auf dem Weinfest lieber noch in der Wohnung einer jungen Frau an der Bismarckstraße weiterfeiern wollen. Das wollte die Auszubildende aber nicht. An der Ecke Steinstraße/Portastraße sei sie vom Weglaufen so erschöpft gewesen, dass sie sich auf dem Versicherungsparkplatz »flach auf den Boden« gelegt habe. Ihr damals 20-jähriger Freund legte sich neben sie. »Weil man sich so besser unterhalten kann«, erklärte er den verwunderten Verhandlungsbeteiligten.
Kurios am Rande: Die Mindenerin war eineinhalb Stunden zu spät im Gerichtssaal erschienen, weil sie zunächst verschlafen hatte und dann auch noch von der Geschäftsstelle des Amtsgerichtes in die Irre geführt worden war. Von dort hatte sie als Auskunft erhalten, sie müsse nicht mehr kommen, es gehe auch ohne sie.
Ob das Verhalten des Pärchens auf dem Parkplatz nach allgemeiner Auffassung »normal« gewesen sei oder nicht, das sei völlig unerheblich, befand Richterin Dr. Tanja Funk in ihrer Urteilsbegründung. Gemeinschaftliche schwere Körperverletzung sei es von den vier Angeklagten gewesen, den am Boden liegenden jungen Mann zu attackieren. Der trug laut ärztlichem Attest eine Gehirnerschütterung davon und leidet nach eigenen Angaben noch heute unter Gedächtnisverlust. Seine lückenhafte Aussage wurde von der Richterin jedoch als glaubwürdig eingestuft.
Dem Angeklagten mit der Stichverletzung sagte die Richterin, sie empfinde nur in begrenztem Maße Mitleid. Seine Schmerzen seien im Strafmaß berücksichtigt worden. Das müsse genügen.

Artikel vom 22.10.2005