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Notfalls ein Netz über Geflügel

Ansturm auf Arztpraxen wegen Grippeschutzimpfungen - Impfstoffe knapp

Von Karl Pickhardt, Jürgen Spies und Wolfram Brucks (Foto)
Kreis Paderborn (WV). Landrat Manfred Müller will die von morgen an geltende Stallpflicht für Haus-Geflügeltiere scharf überwachen. Dazu hat der Kreis Paderborn das Personal verstärkt. Vorsitzender Heinz Westkämper (Sande) vom Landwirtschaftlichen Kreisverband rief gestern die etwa 2000 registrierten Geflügelhalter im Kreis Paderborn auf, sich konsequent an die Aufstallpflicht beim Federvieh zu halten. Die Sorge um ein Ausbreiten der Vogelgrippe führt offenbar auch zu einem Ansturm auf Arztpraxen im Paderborner Land: Tausende wünschen Grippeschutzimpfungen. Apotheken melden bereits Engpässe bei Impfstoffen.

Besonders Gänsehalter sind von der Stallpflicht hart betroffen, wenn ausreichend Gebäude fehlen. Solche Ausnahmen sind dem Veterinäramt sofort zu melden. »Die müssen ihre Tiere zumindest mit einem Netz von oben und der Seite schützen vor Wildtieren «, signalisiert der Landrat Gesprächsbereitschaft in Härtefällen. Ansonsten gilt: Ein Stall muss über vier Wände und ein Dach verfügen. Verstöße werden mit empfindlichen Geldbußen geahndet (bis zu 25 000 Euro).
Von der Stallpflicht sind auch Tierparks betroffen, Reinhold Nadermann, Chef des Tierparks Nadermann in Delbrück-Schöning, bringt Hühner, Enten, Gänse, Perlhühner sowie Emus und weiteres afrikanisches Geflügel in Stallungen unter. Draußen bleiben dürften Schwäne und Pelikane. Im Normalfall verfügt der Tierpark Nadermann über genügend Ställe und Winterunterkünfte. Der größte Tierpark in Ostwestfalen-Lippe ist jetzt aber gezwungen, weitere Stallungen für die Vögel zu bauen. »Das ist für uns natürlich mit nicht unerheblichen Kosten und Arbeiten verbunden. Wir müssen schließlich auch die Ställe unterteilen, damit sich die unterschiedlich großen Tiere nicht in die Quere kommen«, so Nadermann.
Ein generelles Verbot von Geflügelschauen im Paderborner kommt für Landrat Müller erst in Frage, wenn das Vogelgrippe-Virus auch Deutschland erreichen sollte. Es handele sich hierzulande meist um Regionalschauen. Die ausgestellten Tiere dürften aber nicht aus gesperrten Gebiet von außerhalb stammen.
Gleichwohl sind heimische Rassegeflügelzüchter weiterhin besorgt. Viele Rassegeflügelzuchtvereine (RGZV) richten alljährlich im Herbst Zuchtschauen aus und präsentieren ihre schönsten Tiere. »Wir müssen abwarten. Noch haben wir die Genehmigung, dass wir unsere Schauen abhalten dürfen, die Vorbereitungen sind fast abgeschlossen. Da steckt jede Menge Arbeit drin. Sollten Schauen abgesagt werden müssen, tragen die Vereine ja auch die eventuellen Kosten für Hallen- oder Saalmiete«, berichtet etwa der Vorsitzende des RGZV Hövelhof, Gerd Kamp, der überdies das Einpferchen der Tiere als problematisch ansieht.
In Wartezimmern bei Hausärzten im Paderborner Land ist derzeit kaum ein Stuhl frei: Mehrere tausend Menschen haben oder wollen sich gegen Grippe impfen lassen, auch wenn dies keinen Schutz gegen Vogelgrippe bietet. In vielen Arztpraxen und Apotheken wird der Impfstoff schon knapp. Internist Dr. Dieter Busch schätzt, dass inzwischen jeder zweite Patient wegen einer Grippeimpfung kommt. Nicht nur in der Praxis Busch ging sogar drei Tage der Impfstoff aus.
Apotheker Toni Rimrod beobachtet in Paderborn eine Verdoppelung der Nachfrage nach Grippe-Impfstoffen. Der 57-jährige Sprecher von kreisweit 48 Apotheken bestätigt, dass Firmen Lieferschwierigkeiten hätten. Der Chef der Maspern-Apotheke rechnet erst Anfang November mit einer Entspannung beim Lieferengpass.

Artikel vom 21.10.2005