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Räuber kapert Auto
an roter Ampel

Fünf Jahre Haft für den jungen Angeklagten

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Ein Alptraum für jede Autofahrerin: Spätabends vor einer roten Ampel, und plötzlich springt ein bewaffneter Räuber auf den Beifahrersitz. Für die 42-jährige Kirstin W. wurde er in Paderborn Wirklichkeit. Gestern stand der Täter vor Gericht.

4. Juli 2005, 22.40 Uhr. Kirstin W. fährt die Husener Straße und stoppt vor der Ampel am Südring. Da reißt plötzlich ein Mann die Beifahrertür auf und sitzt Sekunden später neben ihr. »Was willst du?« herrscht die resolute Frau den Unbekannten an. Doch der setzt ihr nur ein Messer an den Hals und entgegnet: »Halt's Maul und fahr los«. Er zwingt die Frau, über eine rote Ampel zu rasen und dirigiert sie in eine einsame Straße. Dort darf Kirstin W. aussteigen, der Räuber braust mit ihrem BMW 316 i davon.
»Ich wollte unbedingt ein schönes Auto haben und hatte mir einen genauen Tatplan überlegt«, räumt der 21-jährige Viktor M. im Prozess vor dem Landgericht Paderborn ein. Weil er nicht wisse, wie man ein Auto knackt, habe er es eben so gemacht.
Zuhause ist der arbeitslose junge Mann rausgeflogen, weil er nur rumgegammelt, Haschisch geraucht und den Eltern die Wohnung zertrümmert, Mutter und Schwester bedroht hat: »Ich schlachte euch alle ab«. Im KIM-Zentrum kann er nur sechs Wochen wohnen. »Danach wollte ich wenigstens ein Dach überm Kopf haben und habe das Auto geklaut«, bekennt er freimütig. »Ich wollte es behalten.«
Mit zwei Freunden unternimmt Viktor M. noch am selben Abend eine Spritztour nach Bielefeld. Doch nach dem geraubten BMW wird bereits gefahndet. An einer Tankstelle klicken die Handschellen.
»Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er auf seine Tat stolz ist«, meint Staatsanwalt Jochen Zimpel. Der Angeklagte habe den Raub kühl kalkuliert und genau geplant.
»Ich glaube eher, dass er noch ein halbes Kind ist«, hält Verteidigerin Arnhild Oelsmeier dagegen. Er habe der Frau nichts tun, sondern nur ihr Auto haben wollen.
Auch Richter Bernd Emminghaus erkennt bei Viktor M. ein gewisses Maß an Naivität. Das entwaffnend offene Geständnis und sein jugendliches Alter hält die Strafkammer dem »Carnapper« strafmildernd zugute. Das Gericht wertet die Tat als minderschweren Fall und verurteilt den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung und räuberischen Angriffs auf eine Kraftfahrerin zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Die Straftat sei schon massiv gewesen, und das Strafmaß müsse ein Zeichen setzen, erläutert Emminghaus. Der Staatsanwalt hatte sechs Jahre und neun Monate Haft gefordert.

Artikel vom 20.10.2005