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Familienfreundliches Land - ohne Geld

Podiumsdiskussion zur Zukunft der Kitas gut besucht

Steinhagen (anb). Das Interesse war riesengroß, der Saal des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses gut besetzt. An die 120 Eltern und Großeltern, Erziehrinnen und Vertreter von Kirchengemeinde und Gemeinde beschäftigte am Montagabend »Die Zukunft der Kindertagesstätten zwischen Anspruch und Finanzierbarkeit«.

Ein komplexes Thema, das Moderatorin Christiane Schäfer da mit fünf Fachleuten erörterte. Ein schwieriges Thema, da die Kluft zwischen den Anforderungen in Zeiten von PISA und düsteren demografischen Aussichten sowie den allseits leeren Kassen immer größer wird. Ein klares Bekenntnis zur familienfreundlichen Gemeinde und zum familienreundlichen Land legten Bürgermeister Klaus Besser und die CDU-Landtagsabgeordnete Marie-Theres Kastner ab: »Dafür wollen wir besonders arbeiten«, versprach die frühere Münsteraner Bürgermeisterin.
Doch wie soll die Ausbildung der Erzieherinnen, die immer mehr leisten müssen, wie sollen die Familienzentren, denen nach Meinung der Politikerin eine besondere Rolle in der Betreuung und Förderung der Kinder, aber auch in der Information und Beratung der Familien zukommt, bezahlt werden? 500 000 Euro für die Weiterentwicklung der Kitas im Nachtragshaushalt hält Kastner zunächst für ein deutliches Zeichen. Wie sich der Posten im nächsten Landesetat entwickelt - ein dickes Fragezeichen. Und das steht auch hinter einem weiteren Wunsch: »Wir wollen den kirchlichen Trägern, die uns aus Geldmangel derzeit wegbrechen, entgegenkommen. Aber da müssen wir noch rechnen.«
Apropos: Gerne hätten die örtlichen Kirchengemeinden eine Erhöhung des Gemeindeanteils von 50 auf 75 Prozent an den Kosten ihrer Kita-Plätze. 108 000 Euro mehr (305 000 sind es derzeit) würde das bedeuten. Deshalb ist der Antrag im Haushaltsplanentwurf auch leider nicht einmal vorgesehen, bedauerte Besser.
Prof. Dr. Rainer Dollase von der Uni Bielefeld, selbst Steinhagener, stellt den Kindergärten ein gutes Zeugnis aus. Denn sie leisten Hervorragendes im situationbedingten Lernen kleiner Kinder: »Fünfjährige lernen ganzheitlich und aus dem Spiel heraus, nicht etwa durch Arbeitsblätter. Erst um das siebte Lebensjahr herum ändert sich das«, erteilte Dollase der im Zusammenhang mit PISA häufig diskutierten früheren Einschulung eine klare Absage. Ein Punkt, der auch später in der Diskussion von der Zuhörerschaft aufgegriffen wurde: Gegen eine Verschulung der Kindergärten sprachen sich vor allem die anwesenden Fachfrauen aus.
Und andererseits: In Zukunft muss auch die Betreuung der unter Dreijährigen eine größere Bedeutung gewinnen. Ein Anspruch, der nach Meinung von Kreisjugendamtsleiter Lothar Busche durch frei werdende Plätze im Bereich der Drei- bis Sechsjährigen nach und nach erfüllt werden kann.
In puncto Qualität der Kindergärten übernimmt der Kirchenkreis Halle eine Vorreiterrolle, wie Fachberaterin Anne Dieter deutlich machte. Seit Jahren werden mit der Langzeitfortbildung gute Erfahrungen gemacht, nun ist der »Personalentwicklungsprozess« hinzugekommen - ein System, das Aspekte wie Dienstanweisungen, Fortbildung, Einstellungsverfahren, demnächst auch Integration und Erziehungspartnerschaften einheitlich regelt.

Artikel vom 19.10.2005