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Gewaltiger Lobpreis
erfüllt die Kirche

Gelungener Auftakt der 4. Chorfesttage

Von Ruth Matthes (Text und Fotos)
Herford (HK). Die mehrchörigen Werke Giovanni Gabrielis, die im 16. Jahrhundert auf den beiden Emporen des Marcusdoms in Venedig erklangen, wurden damals enthusiastisch gefeiert. Die Faszination, die von dieser Musik bis heute ausgeht, konnten die Besucher des Auftaktkonzertes der 4. Herforder Chorfesttage am Sonntag in der Marienkirche nachempfinden.

Gleich zu Beginn hüllten die Sänger der vereinigten Chöre ausÊMarien- und Johanniskantorei, Hochschulchor, Westfälische Kantorei und Vokalensemble der Musikschule die Zuhörer mit Simbrackys dreichörigem »Gaudent in coelis« in eine gewaltige Klangwolke. Effektvolle Wechsel zwischen kleinem und großem Chor sorgten dafür, dass die Exultant- und Alleluja-Rufe zu einem vielstimmigen Jubel wurden. Hier wie beim Gros der Werke, die alle von der venezianischen Mehrstimmigkeit beeinflusst sind, bildeten auch die Instrumentalisten einen Teil der alternierenden Stimmen. Sie setzten sich aus dem Altstädter Bläserkreis, dem Streicherensemble Burghard Schmilgun, Bläsern der Hochschule und weiteren Instrumentalisten sowie Rolf Schönstedt, Helmut Fleinghaus und Benjamin Dippel an den Orgeln zusammen. Hildebrand Haake, musikalischer Leiter der Festtage, gruppierte die Akteure in der mit ihren zwei fest stehenden Orgeln und Positiv gut geeigneten Marienkirche stets so um, dass die Bezüge zwischen den Chören bestens hörbar wurden. Mit Gabrieli-Schüler Heinrich Schütz hatte er als zweiten einen Komponisten ausgewählt, der viel Wert auf die Textausdeutung legte, was die Sänger in ihrer differenzierten Interpretation von Psalm 110 gut herausarbeiteten.
Nach einem Bläserintermezzo mit Werken von Hassler und einem unbekannten Meister stellten Sänger und Instrumentalisten zwei Magnificat-Kompositionen einander gegenüber. Zielenskis Version arbeitete mit Chören in verschiedenen Lagen und reizte das Klangspektrum voll aus. Ihm folgte Schütz' deutsche Version. Unter der Leitung von Wolf-Eckart Dietrich lieferten Vorsängerchor und größerer Chor einen nuancenreichen, sehr beweglichen Vortrag. Klar und durchsichtig gestaltete danach der Frauenchor des Vokalensembles Josef Michels »Herr, unser Herrscher«.
Den Einfluss der Mehrchörigkeit auf Romantik und Moderne demonstrierten die Chöre mit Kyrie und Gloria aus Louis Viernes »Messe solennelle« und Knut Nysteds »Immortal Bach«. Vierne stellte hier die Orgeln einander gegenüber: gewaltige spätromantische Klänge aus der Höhe wurden von der Collon-Orgel mit impressionistischen Tönen beantwortet. Der Chor faszinierte mit einem spannungsreichen, intensive Kyrie und einem abwechslungsreichen Gloria, das so manche rhythmische Tücke in der Abstimmung zwischen Orgeln, Sängern und Dirigenten barg.
Besonders eindrucksvoll gelang Nysteds Version des Chorals »Komm, süßer Tod«, zu dem sich die Sänger im Rund um das Publikum versammelten. Mithilfe mehrerer Dirigenten ließen sie die Melodie, deren Töne unterschiedlich lang zu halten waren, zu einer spannungsreichen, schwebenden Klangdecke werden, die das Publikum umhüllte.
Zurück zu den Anfängen kehrten die Mitwirkenden im Finale. Aus drei Himmelsrichtungen erschallten die Stimmen von vier Chören und Instrumentalisten zu Gabrielis festlichem »Buccinate«.

Artikel vom 18.10.2005