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Raser sehen bei Blitzkisten rot

Kreis »verdient« mit Starenkästen 375 000 Euro - Attacken auf Kameras

Von Michael Robrecht
Brakel/Bad Driburg (WB). Mit Abflammgerät und Propangasflasche hat ein erboster Autofahrer am Mittwoch eine Radaranlage an der B 1 bei Paderborn angezündet. Seinen zehnten Anschlag »überlebte« eine Woche zuvor der hochstiftweit bekannte Starenkasten an der B 64-Abfahrt bei Benhausen. Während die »Paderborner« ihre Blitzkisten in regelmäßigen Abständen malträtieren, gehen die »Kreis-Höxteraner« mit ihren elf Geschwindigkeitsmessanlagen etwas pfleglicher um.

»In den vergangenen Monaten war es zwischen Egge und Weser ruhig, was die Gewalt gegen die Kameras angeht«, erklärt Elisabeth Scheel, Leiterin der Abteilung Straßenverkehr in der Kreisverwaltung Höxter, auf Anfrage des WESTFALEN-BLATTES. Das heiße nicht, dass es nicht auch hier »Anschläge« auf Starenkästen gegeben habe. »Die letzte größere Attacke musste das Gerät bei Borgentreich über sich ergehen lassen. Hier wurde 2003 nicht nur Feuer gelegt, was 70 000 Mark Schaden an der Kamera verursachte, sondern auch am Metallständer ganz massiv gehackt«, berichtet Frau Scheel.
Wenn die Kästen - wie auf der B64 oder der Ostwestfalenstraße bei Brakel- reden könnten, würden sie ganze Romane und Dramen erzählen: Viele Bürger erinnern sich noch an die spektakulärste »Tat« im Kreis Höxter Anfang Oktober 1999: »Damals haben Unbekannte eine ganze Starenkastenanlage mit Kamera gestohlen«, erzählt Elisabeth Scheel. Mit Lkw und Kran müsse mit roher Gewalt das Gerät mit Betonsockel aus der Erde gerissen worden sein. Da war der Sprühangriff mit Montageschaum auf das Blitzgerät bei Germete vor einigen Jahren noch »harmlos«: Immer wieder haben wütende Autofahrer auch Glas am Gehäuse zerstört oder sind - wie bei Bergheim - gegen den Batteriekasten gefahren; der Pkw überschlug sich dabei und landete auf dem Dach, weil der Fahrer wohl aus Schreck vor der Blitzkiste falsch reagierte.
»Eines der ertragreichsten stationären Geräte steht bei Borgentreich in Fahrtrichtung Warburg«, berichtet Elisabeth Scheel. »Auch bei Bad Driburg werden schon mal 120 Fotos an einem Wochenende gemacht«, so die Leiterin der Straßenverkehrsabteilung. Der neue Kasten auf der B 64 bei Stahle bringe dagegen »nur« 25 Raser - »was ja eigentlich gut ist, weil das Gerät Wirkung zeigt«.
Im Kreishaushalt sind für die Unterhaltung und Wartung der elf Blitzanlagen und zwei Kameras 20 000 Euro veranschlagt. »375 000 Euro - bei rückläufiger Tendenz - werden an Strafgeldern eingenommen«, rechnet die Abteilungsleiterin vor. Die Fallzahlen im Kreis im Verwarngeldbereich seien gleich geblieben. »Weniger geworden sind die richtig hohen Geschwindigkeitsüberschreitungen, so Elisabeth Scheel, die darauf hinweist, dass bei den 375 000 Euro nicht die Einnahmen der Messungen der Polizei beinhaltet seien.
Jedes Jahr überprüft eine Kommission, ob die elf Anlagen (dafür gibt es zwei Kameras) noch an der richtigen Stelle stehen, ob neue Geräte notwendig - oder alte überflüssig geworden sind. »Zurzeit sind im Kreis Höxter keine neuen Anlagen vorgesehen. Nur die Ausfahrt der Lüre auf die B 64 bei Höxter könnte ein neuer Standort werden; das prüfen wir noch, weil hier Geschwindigkeiten oft falsch eingeschätzt werden«.
Viele »Kreis-Höxteraner« kennen übrigens auch den »beliebten« Starenkasten, wenn sie die Egge passiert haben und sich kurz vor Paderborn befinden: Mit 13 000 geblitzten Temposündern pro Jahr (allein in Fahrtrichtung Paderborn) sind die beiden Kästen bei Benhausen nicht nur die ertragreichsten Geräte des Kreises Paderborn, sondern auch die gefährdetsten, was zehn Anschläge beweisen. Bereits kurz nach seiner Installation im Jahr 1991 riss ein Landwirt mit seinem Trecker Gerät und Betonverankerung heraus. Einmal wurde mit brennenden Reifen versucht, das Fotomaterial in der Kamera zu vernichten.

Artikel vom 15.10.2005