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Aus Briefen an die Redaktion
Von Leuchtturmprojekten aus
werden Seufzerbrücken übersehen


Die meisten Brücken im Herforder Stadtgebiet sind sanierungsbedürftig. Die Fußgängerbrücke zwischen Friedhofstraße und Elverdisser Straße soll abgerissen werden. Ob sie ersetzt wird, muss noch im Rat entschieden werden. Mit dem Thema »Brücken« befasst sich HK-Leser Jürgen Wilhelm in seinem Brief an die Redaktion:

Das heikle Thema Folgekosten wird in Herford gerne verdrängt. So fehlen im »Stadtsäckel« die nötigen Rücklagen, um unsere maroden Brücken zu sanieren. Wenn jetzt der Abbruch die einzig mögliche Alternative ist, wie an der Friedhofstraße, wird dies bei den betroffenen Bürgern begreiflicherweise auf Zorn und Unverständnis stoßen. Baudezernent Dr. Peter Maria Böhm nennt das feinsinnig: »Die Brücke ist emotional sehr besetzt.«
In meiner Jugend warb die Werrestadt mit dem farbigen Aufkleber: »Herford - die Stadt der Brücken und Gärten«. Nun weint man zugeschütteten Flussläufen nach oder verwandelt die Aa, weil die nötigen Mittel für ein neues Wehr fehlen, durch Absenkung in eine stinkenden Kloake. Um frisch ans Werk zu gehen, hat unser Baudezernent nach eigenem Bekunden bei seinem Amtsantritt die alten Planungsvorlagen seiner Vorgänger aus seinem Büro verbannt. Schade - bei Durchsicht dieser Akten wäre ihm klar geworden, wie viele Planungen in Herford schon im Sande verlaufen sind. Seit 1969 der ehemalige Lauf der Bowerre in eine Promenade umgewandelt wurde, entwickelte sich der Linnenbauerplatz zur Spielwiese von Städteplanern. Nun beteiligt man Bürger und Kindergärten an den Wunschvorstellungen und gibt sich Zukunftsvisionen hin, wie man den Wall neu gestalten könnte. Lobenswert, aber realitätsfern, weil man weiß, dass die Kostenexplosion der Sozialabgaben bei der Stadt zu Neuverschuldungen in Millionenhöhe führen wird.
Schon vor drei Jahren war der Sanierungsbedarf der Brücke bekannt. Aber damals verneigte man sich in Richtung Goebenstraße und wandte zwangsläufig anderen Stadtteilen die Kehrseite zu. So fehlte auch den Bürgern der Sinn für einen Hubschrauber auf dem Trafohäuschen, wenn man auf der anderen Seite kein Geld für den Brückenbau über Haushaltslöcher hat. Von strahlenden Leuchtturmprojekten aus werden Seufzerbrücken leicht übersehen.

JÜRGEN WILHELM
32052 Herford

Artikel vom 17.10.2005