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Verlässliche Politik
schafft Vertrauen

Konjunktur tritt in Ostwestfalen auf der Stelle

Von Thomas Niehoff
Die Konjunktur in Ostwestfalen tritt im Herbst 2005 auf der Stelle. Nach der aktuellen Umfrage der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld zur Wirtschaftslage in den Betrieben zeigt der IHK-Klimaindikator nach leichtem Anstieg im Frühjahr zum Herbst hin eine seitliche Bewegung. Der IHK-Konjunkturklimaindikator setzt die momentane Lageeinschätzung der Unternehmen mit ihren Erwartungen in Relation.

Die weitere wirtschaftliche Entwicklung wird auch davon abhängen, wie schnell die neu positionierte große Koalition in Berlin die notwendigen Reformen vorantreibt. Die ersten Absprachen klingen aus Sicht der Betriebe nicht sonderlich ermutigend. Von manchen Plänen aus ihrem Wahlprogramm, von eher eigen-ständigen betrieblichen Bündnissen über die punktuelle Entlastung der Sozialsysteme bis hin zu weiteren Einschnitten beim Kündigungsschutz, wird sich die Union wohl verabschieden müssen.
Wichtig ist, dass die »Koalition der Kompromisse« nicht zu einer Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners führt. Wenn wir wieder zu mehr Beschäftigung in Deutschland kommen wollen, brauchen wir eine neue Dynamik, die nur mit einer mutigen Reformpolitik erzielt werden kann. Bei den Lohnnebenkosten zum Beispiel stehen wir erst am Anfang der Reformen. Wir müssen die Summe aller sozialen Sicherungskosten endlich auf unter 40 Prozent senken - und diese Quote unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung auch langfristig deutlich unterschreiten.
Auch die Sozialsysteme müssen endlich demografiefest und dauerhaft finanzierbar ausgestaltet werden. Deshalb muss eine Entkoppelung der Beitragszahlung von den Arbeitseinkommen stattfinden. Wir brauchen darüber hinaus dringend eine Vereinfachung der Steuersystematik. Dabei muss unter dem Strich eine geringere Steuerbelastung herauskommen, die Personengesellschaften gegenüber Kapitalgesellschaften nicht benachteiligt und im internationalen Vergleich attraktiv für die Unternehmen ist. Ausländische Standorte sind bislang als Investitionsziele offensichtlich interessanter - nicht nur wegen geringerer Löhne. Unser Steuersystem muss endlich einfach, transparent und verlässlich werden.
Des Weiteren müssen wir die staatlichen Ausgaben strikt begrenzen und die Haushalte konsolidieren. Ziel muss es zudem sein, die Staatsquote bis zum Jahr 2015 von derzeit 47,5 deutlich unter 40 Prozent zu drücken. Zur Reduktion der Staatsausgaben ist das Privatisierungspotenzial sinnvoll auszuschöpfen und Subventionen müssen abgebaut werden.
Alle drei Wirtschaftssektoren Industrie, Handel und Dienstleistungen würden von diesen Reformschritten profitieren. Die Binnenkonjunktur, von der insbesondere der Handel abhängt, kann nur anspringen, wenn durch Schaffung neuer Arbeitsplätze in Deutschland in der Gesamtheit mehr Nachfrage entsteht. Eine Industrie, die sich durch eine ernsthafte Politik der Kostensenkung am Standort Deutschland verstanden fühlt, wird weniger über Abwanderungen ins Ausland nachdenken. Davon wiederum profitieren die industrienahen Dienstleister.
Eine verlässliche, stabile und zukunftsgerichtete Politik schafft Vertrauen. Hier kann eine große Koalition Akzente setzen. Gerade bei der dringend erforderlichen Föderalismusreform stehen die Chancen gut, wenn sich die beiden großen Parteien einig sind. Das Gleiche gilt für den oft diskutierten Bürokratieabbau, der ebenfalls breite Mehrheiten und viel Durchsetzungskraft benötigt.

Artikel vom 22.10.2005