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Naturtalent als Staatssekretär?

Handball-Bundesliga: Neuzugang Nico Greiner (TuS N-Lübbecke) im Gespräch

Lübbecke (law). Seit Saisonbeginn spielt Nico Greiner beim TuS N-Lübbecke. Der wohl beste Kreisläufer der zweiten Liga Süd der vergangenen Jahre wechselte vom TV Gelnhausen an das Wiehengebirge. In diesem Gespräch erzählte der 25-Jährige von dem ungewöhnlichen Verlauf seiner Laufbahn als Handballer sowie seinem großen Hobby: Geschichte und Politik.


Nico Greiner ist erst 25 Jahre alt, hat aber in seiner Handball-Karriere schon viel erlebt. Der TuS N-Lübbecke ist bereits der siebente Verein, dessen Trikot der Student der Volkswissenschaften und Politologie trägt.
Seine Handball-Karriere verlief ungewöhnlich: Als Jugendlicher war er Leichtathlet, genauer Zehnkämpfer mit Schwerpunkt Diskuswurf. Als 16-Jähriger nahm er durch Zufall erstmals an einem Handball-Training beim VfL Potsdam teil, nutzte seine körperliche Überlegenheit und die durch die Leichtathletik antrainierten motorischen Fähigkeiten. »Es ist kaum zu glauben, aber einige Wochen später war ich in der Landesauswahl.« Einige Tage darauf bekam er eine Einladung zur Jugendnationalmannschaft. »Ich wusste bis dahin gar nicht, wie Handball taktisch funktioniert. Ich konnte geradeaus laufen und hatte einen harten Wurf. Trainer Wolfgang Brand hat mich dann auf der schriftlichen Einladung vom Halblinken zum Kreisläufer umfunktioniert. Da habe ich mich nicht so dumm angestellt und blieb auf dieser Position«, lacht der humorvolle Greiner, »jedenfalls habe ich am Kreis nicht so eingedreht, wie mit dem Diskus im Ring«.
Durch den Einsatz in der Jugendnationalmannschaft wurde der SC Magdeburg auf das Naturtalent aufmerksam. »Ich musste mich zwischen der Leichtathletik und dem Handball entscheiden. An Handball hatte ich riesigen Spaß und zog als Jugendlicher nach Magdeburg, vor ich die Jugend und Handball lernte.«
Es folgten Stationen in Wetzlar, dem italienischen Klub Prato »Dort habe ich im Europapokal gespielt. Zwar nur die erste Runde, aber es war eine tolle Erfahrung«, ehe er wiederum nach Wetzlar ging, dort aber keine Einsatzzeiten erhielt. 2002 wechselte der Rechtshänder zum TV Gelnhausen.
»Ich bin eigentlich kein Wandervogel, für alle Wechsel bestanden Notwendigkeiten, wie aus einem Misserfolg heraus oder um eine Herausforderung zu suchen«, erklärt Greiner. Unter Lothar Doering habe er als junger Spieler damals keine Chance gesehen, in der ersten Mannschaft des SC Magdeburg zu spielen. Also wechselte er nach Aurich in die Regionalliga, wo er schnell ein Angebot aus Dutenhofen bekam und zur Winterpause nach Wetzlar ging. »Dort habe ich nur auf der Bank gesessen. Eine schmerzhafte Erfahrung für mich. Aber in der Rückschau war es die richtige Erfahrung zur rechten Zeit«, blickt Greiner zurück. »Um Auslandserfahrungen zu sammeln«, zog es ihn nach Italien. Auch im Hinblick auf Nicos Traumberuf, Staatssekretät im Auswärtigen Amt, eine folgerichtige Entscheidung. Am deutschen Institut in Florenz lernte er die Landessprache.
Zurück in Deutschland fühlte er sich beim TV Gelnhausen wohl. »Ich konnte dort mein Studium vorantreiben.« Doch mit 25 Jahren sah sich Greiner an der Schwelle angelangt, etwas Neues, nämlich die erste Liga ausprobieren zu müssen. »Es ist eine große sportliche Herausforderung, die ich in Gelnhausen auf Sicht nicht hatte«, erklärt Greiner. Eingelebt habe er sich in Lübbecke ausgezeichnet. »Die negativen Eindrücke, die ich damals in Wetzlar von der ersten Liga gewonnen habe, sind hier vollständig widerlegt worden. Beim TuS herrscht ein großer Teamgeist. Jeder hat seine Aufgaben und Pflichten. In dieser Kombination ist das ein Vorteil gegenüber anderen Mannschaften der gleichen Kragenweite«, stellt der gebürtige Potsdamer fest.
Auch im Haushalt, Nico lebt alleine, findet er sich mehr oder weniger zurecht. »Dinge, von denen ich dachte, die klappen nie, klappen und Dinge, von denen ich dachte, die sind leicht, bekomme ich nicht so auf die Reihe«, lacht er und fügt hinzu: »Die Vielzahl der Fertiggerichte, die heutzutage angeboten wird, kommt mir entgegen.«
Wie sieht er seine Perspektiven beim TuS N-Lübbecke? »Paco Fölser ist ein sehr starker Kreisläufer. Ganz klar. Aber ich werde meine Chance bekommen und dann werde ich alles geben. Dann werden wir sehen, was dabei herauskommt«, meint der ehrgeizige Greiner.
Soweit zum Sportlichen. Was ist Nico Greiner für ein Mensch? Er charakterisiert sich selber als ungeduldig, sehr, vielleicht auch ein bisschen zu ehrgeizig, was auch »kontraproduktiv sein kann«, extrem pünktlich und wissbegierig.
»Eine gute Allgemeinbildung und ein fundiertes geschichtliches Wissen helfen, Fehler aus der Vergangenheit zu vermeiden«, leitet Greiner zu seinem großen Hobby »Geschichte und Politik« über. »Ich schaue viele Sendungen in diesem Bereich. Mir imponieren Leute, die viel wissen, wie zum Beispiel Helmut Schmidt, der ein enorm breit gefächertes Wissen hat. Leute, die einfach nur Geld haben, interessieren mich nicht.«
Nico studiert Volkswirtschaft und Politik an der Universität Bielefeld. »Es war immer ein Traum, Handballer zu werden. Aber ich will nicht auf den Sport begrenzt sein. Es gibt mehr im Leben als Handball. Das Studium nehme ich sehr ernst.« Nicos Traum ist es, eines Tages Staatssekretär im Auswärtigen Amt zu werden. Wie kommt dieser ungewöhnliche Berufswunsch zustande?
»Als ich etwa 16 Jahre alt war, habe ich stundenlang Bundestagssitzungen im Fernsehen verfolgt. Das hat mich fasziniert. Seitdem versuche ich, den Menschen Politik nahe zu bringen. Als Joschka Fischer Außenminister wurde, gab es eine Bundespressekonferenz, die übertragen wurde. Da sah ich einen Staatssekretär und dachte mir gleich: Das ist der Traumjob!«, erklärt Greiner, der selber einer Partei angehört und natürlich das Geschehen um die Bundestagswahl intensiv und gespannt verfolgt.
»Leute, die gleichgültig sind, machen mich wütend«, sagt Nico. Daher habe er seinen ursprünglichen Berufswunsch Lehrer schnell aufgegeben, weil er mit Schülern, die nicht lernen wollen, nicht klar käme.
Die traditionell letzte Frage nach einer Persönlichkeit, gleichgültig ob verstorben oder lebendig, mit der er gerne zu Abend essen würde, beantwortet Nico spontan: »Karl Marx. Um seinen Thesen die Realität entgegenzuhalten. Da wäre bestimmt eine gute Diskussion. Oder auch Helmut Schmidt.«
Vielleicht sehen wir Nico Greiner bald in der Tagesschau. Zunächst als Weltmeister 2007 mit der deutschen Nationalmannschaft und im Jahr 2017 als Staatssekretär im Auswärtigen Amt. Bei seiner Zielstrebigkeit kein gänzlich ausgeschlossenes Szenario! Zu wünschen ist es ihm jedenfalls!

Artikel vom 13.10.2005