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Machtlos gegen
Billigarbeit

Firmenkritik - Stadt: alles korrekt

Von Wilfried Mattner
Pr. Oldendorf (WB). Die Vermittlung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ohne Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt in so genannte »Ein-Euro-Jobs« ist nach Paragrph 16, Absatz 3 des Sozialgesetzbuches II an genau definierte Kriterien geknüpft. Ob die aber als so genannte »1-Euro-Jobber« tätigen Menschen tatsächlich immer so beschäftigt werden, wie das Gesetz es vorschreibt - daran haben Lars (41) und Frank Bredemeier (47) mittlerweile starke Zweifel.

Sie sind seit 1997 Geschäftsführer der E. Bredemeier GmbH in Pr. Oldendorf, eines 1978 gegründeten Straßenbaubetriebes, der insbesondere auch Pflasterarbeiten ausführt. Mit der Einführung der so geannten »1-Euro-Jobs« gebe es zunehmend Probleme, an öffentliche Aufträge zu kommen, berichtet Lars Bredemeier, der damit die Vorgehensweise und Vergabepraxis der Stadt Pr. Oldendorf meint. »Früher und auch heute noch gibt es z.B. auf Gehwegen immer etwas zu tun; bespielsweise müssen lose oder defekte Platten ersetzt werden, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Solche Aufträge erledigten wir noch vor gar nicht langer Zeit.
Seit es die Arbeitsgelegenheit mit 1-Euro-Jobs gibt, ist das vorbei«, kritisiert der Chef des Familienbetriebes. Ganz deutlich werde dies im Straßenbild: »Hier sehe ich oft Teams mit mir bekannten Personen für die Stadt arbeiten, die eindeutig keine Bauhofmitarbeiter sind und nicht für ein anderes Unternehmen arbeiten.« Als Beispiel nennt er die Reparatur des Gossensteine im Verlauf des Dorfbaches in Offelten vor dem Tag der Regionen, an dem zahlreiche Helfer beteiligt gewesen seien, »aber keine Fachfirma und keine Bauhofmitarbeiter. Eine solche Arbeit aber wäre ein klassisches Objekt für eine Straßenbau- oder Pflasterfirma gewesen«.
Insbesondere ärgert den 41-Jährigen auch die Verzögerungstaktik und das Verhalten der Stadtverwaltung, wenn es um Angebotsbearbeitung bzw. Aufträge gehe -Êund nennt ein Beispiel. »Wir sind im vergangenen Jahr von der Stadt aufgefordert worden, für Pflaster- und Reparaturarbeiten auf dem Bauhof-Betriebsgelände ein Angebot abzugeben. Wir sind dreimal draußen gewesen, habe gemessen und gerechnet und am 6. Dezember vergangenen Jahres ein Angebot abgegeben, wonach die Arbeiten für 425 Quadratmeter 6 381 Euro kosten würden. Trotz mehrfacher Nachfrage haben wir bis heute keine Antwort der Stadt vorliegen. Und dann mussten wir vor wenigen Tagen feststellen, dass diese Arbeit im Zuge von 1-Euro-Jobs erledigt werden«, klagt der Chef von sechs Mitarbeitern.
Gegen eine solche Konkurrenz sei man machtlos: »Diese Tätigkeiten vernichten letztlich Arbeitsplätze!« Wegen der schlechten Auftragslage habe er vorsorglich schon im Sommer seinen Mitarbeitern kündigen müssen, bedauert Lars Bredemeier weiter. Denn ob er dann noch Arbeit für sie habe, wisse er derzeit nicht. Er ist weiter der Meinung, dass dieser Auftrag von der Stadt hätte beschränkt ausgeschrieben werden müssen: »Wenn der Auftrag dann an einen anderen Fachbetrieb mit einem besseren Preis gegangen wäre, hätte ich das akzeptieren können, das ist im Wirtschaftsleben eben so. Aber gegen diese Billigkonkurrenz kommen wir nicht an.«
Bredemeier bedauert diese Entwicklung auch vor dem Hintergrund, dass er mit seiner Mannschaft weit fahren muss, um Aufträge zu erledigen. So arbeite man viel für die Stadt Melle und sei sogar bis nach Dortmund gefahren, um vor den Westfalen-Hallen Pflaster zu regulieren: »Nur in Pr. Oldendorf, wo wir leben und Gewerbesteuer bezahlen, läuft fast nichts mehr. Ich habe nichts gegen 1-Euro-Beschäftigte, aber es kann nicht sein, dass sie Handwerksbetrieben Arbeit wegnehmen. Und das ist auch nicht Ziel der entsprechenden Sozialgesetzgebung.«
Heinrich Fangmeyer, Kämmerer und Fachbereichsleiter Finanzen im Rathaus der Stadt Pr. Oldendorf, wies die Vorwürfe zurück. Es sei zwar richtig, dass ein Angebot für die Pflastung des Baubetriebshofes angefordert worden sei. Doch wegen der hohen Kosten und fehlender Mittel habe der Bauhofleiter dem Unternehmen mündlich abgesagt, erklärte Fangmeyer gegenüber der LÜBBECKER KREISZEITUNG. Weiter habe man Anfang des Jahres für 40 Personen Projekte bilden müssen, in deren Rahmen sie als »1-Euro-Beschäftigte« tätig sein sollten. Dabei habe man durchaus darauf geachtet, Projekte aufzulisten, die nicht unbedingt nötig seien. »Das ist z.B. bei der Pflasterung am Bauhof so gewesen. Die hätten wir aus dem Etat nicht finanziert. Insofern war sie zusätzlich«, erklärte Fangmeyer. Im Übrigen seien alle Projekte der »Pro Arbeit« und einer weiteren Gesellschaft, der ComJob« gemeldet und von beiden auf Einhaltung der rechtlichen Kriterien überprüft worden: »Und von der Seite hat es keine Einwendungen zu geben.«

Artikel vom 14.10.2005