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Mit Rock'n'Roll im
Karussell zum Erfolg

ARD-Dokumentation über die Parpalioni-Brüder

Von Peter Schelberg
Bünde/Enger (BZ). »Die 50-er Jahre - wie wir wurden, was wir sind«: So lautet der Titel einer großen sechsteiligen Dokumentationsreihe der ARD, in der Familien aus Ost und West vom 21. November an »ihre« Geschichte erzählen. Mit dabei sind auch zwei bekannte Schausteller aus dem Herforder Land: Waldo und Manfred Parpalioni schildern als Zeitzeugen ihre Erlebnisse aus der Zeit des Neuanfangs nach dem Zweiten Weltkrieg, persönliche Erinnerungen an Wirtschaftsaufschwung, Petticoat-Mode, Brisk-Frisuren - und natürlich Rock'n'Roll.

In den 50-ern begann auch in Herford das Leben wieder zu pulsieren. Die Parpalionis - zuvor noch Zirkusjongleure - wurden Schausteller. Wie es im Alltag weiterging, zeigt die ARD-Dokumentation: Mit ihrer »St. Moritz-Bahn« gingen die beiden wagemutigen Westfalen auf Reisen. Das Karussell wurde »der Renner« auf den Volksfesten zwischen Rhein und Weser. »Damals gab es die Kleidungswelle, »in« waren Nietenhosen und Kreppsohlenschuhe«, berichtet Waldo Parpalioni: »Junge Mädchen hießen ÝBackfischeÜ, sie trugen Pferdeschwanzfrisuren und Petticoat-Röcke - die Jungs wurden als ÝHalbstarkeÜ bezeichnet und hatten eine Elvis-Tolle. Ihre Idole waren Marylin Monroe und James Dean.«
Von der Vision in Herford starteten die Schausteller mit ihrem 24 Meter langen Karussellzug direkt zum Schützenfest in Düsseldorf: »Mit 20 Stundenkilometern ging's über die A2. Wenn es dunkel wurde, haben wir weiße und rote Stalllaternen am letzten Wagen angehängt.« Volksfeste, Rummelplätze und Kirmesveranstaltungen waren wichtige Orte der Freizeitgestaltung. Auto-Scooter und Karussells dienten auch als »Kontaktbörse«, bei der die Jugendlichen erste zarte Bande knüpften. »Diskotheken gab es damals noch nicht«, blickt Parpalioni zurück.
Als in Deutschland Elvis Presleys »Tutti Frutti« oder Bill Haleys »Rock Around The Clock« im Radio zu hören waren, hatten Waldo und Manfred Parpalioni eine geniale Idee: »Wir haben die Platten angesagt und im Karussell ein Wunschkonzert geboten. »Unsere Konkurrenz auf den Jahrmärkten hat Marschmusik gespielt, Polka, Walzer oder Operetten. Aber die Jugend war verrückt nach der neuen Musik - und die gab's nur bei uns...« Denn aktuelle Scheiben aus Übersee waren im Handel nicht zu kaufen, wurden nur von den Armeesendern gespielt. Doch die Parpalionis nutzten ihre Kontakte und ließen sich von britischen Soldaten aus dem Naafi-Shop mit neuesten Hits versorgen. Kein Wunder, dass das Karussell aus Ostwestfalen bald auch auf den Festen im Rheinland zum »angesagten« Treffpunkt für die »Backfische« und »Halbstarken« wurde. »Wir haben täglich bis zu 200 Grammophonnadeln zum Abspielen der Schellackplatten verbraucht«, erzählt Waldo Parpalioni. 1956 kamen Vinylplatten und Saphirnadeln, die hielten länger.
»Die Herforder und die Mindener Jugendlichen waren die Verrücktesten - die standen immer auf den Trittbrettern oder tanzten vor dem Karussell«, blickt der 75-Jährige zurück. Luftschlangen und Konfetti sorgten für Party-Stimmung - sehr zum Argwohn der Behörden. Auf einigen Festplätzen wurde den Zwillingen sogar verboten, Rock'n'-Roll zu spielen: »Die Musik galt als jugendgefährdend«, schmunzelt Waldo Parpalioni, der heute in Enger wohnt: »Und aus moralischen Gründen durfte auch die Raupenbahn ihr Verdeck nur zehn Sekunden lang schließen.«
In den 60-er Jahren ließen sich auch die Parpalioni-Zwillinge die Haare länger wachsen und spielten die Hits der »Beatles«: »Man konnte zu der Zeit nur richtig Geld verdienen, wenn man die richtige Musik hatte...«
Die Fernsehreihe »Unsere 50-er Jahre« wird vom 21. November 2005 an montags und mittwochs in der ARD ausgestrahlt. Sendetermine sind: 21., 23., 28. und 30. November sowie 5. und 7. Dezember, Beginn jeweils um 21.45 Uhr.

Artikel vom 14.10.2005