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»Die Kugel traf
mich in den Arm«

Jasmin Hodzic erlebte Belagerung

Sarajevo (WB/cabo). Der bosnische Muslim Jasmin Hodzic ist ein Patriot. Er hat für seine Heimat und für seinen Glauben gekämpft - und dabei fast sein Leben eingebüßt: Während der Belagerung der Hauptstadt Sarajevo traf ihn die Kugel eines serbischen Scharfschützen; Hodzic überlebte, der Kamerad wenige Meter neben ihm starb durch einen Kopfschuss.

Den 8. August 1992 wird der 35-jährige Vater zweier in Deutschland geborener Kinder nie vergessen. Hodzic diente als Soldat bei den »Zelene Beretkes«, den »Grünen Baretten«, die eine Art Spezialtruppe in der bosnischen Armee darstellten. Im von den Serben belagerten Sarajevo versuchte seine Einheit immer wieder, sich dem Würgegriff des Gegners zu entwinden. »Früh morgens hatten wir uns eine serbische Stellung in den Hügeln oberhalb der Stadt ausgesucht, die wir neutralisieren wollten«, berichtet der Veteran. An zerschossenen, ausgebrannten Häusern vorbei schlichen sich Hodzic und Kameraden an die Feinde heran, die den bevorstehenden Angriff nicht zu erwarten schienen. »Wir befanden uns noch ungefähr hundert Meter von den Serben entfernt, die letzte Strecke robbten wir durch Gras und Unterholz.« Dann sei alles blitzschnell gegangen: »Die Serben schossen aus allen Rohren - man hatte uns entdeckt«, berichtet Hodzic. »Eine Kugel traf mich in den Arm, der Kamerad neben mir bekam einen Kopfschuss durch den Stahlhelm und war sofort tot.«
An jenem Morgen verlor Hodzic' Einheit mehr als 20 Männer. »Manche waren noch Kinder, gerade mal 17 oder 18 Jahre alt«, erzählt der 35-Jährige, dem der Hass auf die Serben anzumerken ist. Hodzic wirkt von den mehr als zehn Jahre zurückliegenden Kriegserlebnissen nach wie vor traumatisiert. Für unverzeihlich hält er, was serbische Scharfschützen während der Belagerung von Sarajevo (1992 bis 1995, 10 200 Tote) in der Zivilbevölkerung anrichteten: »Sie haben auf Frauen und Kinder geschossen, so etwas Perverses machen keine Menschen.«
Serbische Einheiten der jugoslawischen Armee hatten seit Anfang 1992 mehr als 250 Panzer und etwa 120 Artilleriegeschütze rund um Sarajevo postiert; pro Tag schlugen durchschnittlich 377 Granaten in der Stadt ein. Die Einwohner waren von einer Versorgung mit Lebensmitteln abgeschnitten, erst Luftangriffe der NATO unter Beteiligung der Bundeswehr brachten das Ende der Belagerung.
Hodzic arbeitet heute als Taxifahrer; auf Deutschland hält er große Stücke. »In Stuttgart lebt mein Onkel, dort habe ich meine Frau Aldiana geheiratet, und auch meine Kinder Admir und Ayla wurden da geboren.« Obwohl in seiner Heimat Bosnien-Herzegowina seit zehn Jahren Frieden herrscht, hält er ein Zusammenleben sowie eine gemeinsame Regierung mit Serben für unmöglich. »Bin gespannt, was hier passiert, wenn eines Tages die EUFOR-Soldaten abziehen«, meint Hodzic.

Artikel vom 20.10.2005