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»Nach der Ernte ist vor der Ernte«

Kartoffelsorten gibt es viele, doch nicht alle schaffen es in die Supermarktregale

Von Anna Klöpper (Text und Foto)
Löhne (LZ). Leila, Princess und Christa sind dick und rund und erfüllen trotzdem das Schönheitsideal - das von perfekten Kartoffeln nämlich. Eine Vielzahl von heimischen Kartoffelsorten gibt es, doch auf den Teller schaffen es nur wenige.

»Viele Sorten sind einfach zu anspruchsvoll und empfindlich für den intensiven Anbau« weiß Gerhard Flachmeier. Der Bio-Landwirt aus Herford baut seit 15 Jahren auf seinem Hof Im Heidsiek 69 und auf einem Feld auf dem Wittel die vielseitigen Knollen an - darunter auch Sorten, die man im Supermarkt nicht findet: »Leila ist zum Beispiel zu empfindlich für den großflächigen Anbau, und Granola ist für den intensiven Kartoffellandbau nicht ertragreich genug. Dabei schmecken beide Sorten wirklich hervorragend«, sagt der 56-Jährige.
Ob eine Kartoffel kräftig oder aber wässrig und fade schmeckt, sei jedoch weniger eine Frage der Sorte als vielmehr eine Frage von mehlig- oder festkochend. »Das A und O ist das Prinzip der richtigen Fruchtfolge auf dem Feld«, erklärt der Vollerwerbslandwirt. »Wir bauen nur alle fünf bis sechs Jahre auf dem gleichen Stück Land Kartoffeln an. Dazwischen werden Mischkulturen aus verschiedenen Kräutern, Klee und Gemüse angebaut«, sagt Flachmeier und deutet auf ein Feld, auf dem gerade Lupinen, Malven und Erbsen wachsen.
»Diese Zusammensetzung der Fruchtfolge bestimmt auch die Zusammensetzung der Aromastoffe in der Kartoffel.« Denn für die Ausbildung der Geschmacksstoffe sei eine Vielfalt an Bodenkulturen entscheidend, weiß Flachmeier. »Beim intensiven Kartoffellandbau zählt dagegen vor allem der Ertrag. Für eine langwierige Kreislaufwirtschaft ist keine Zeit - aber der Geschmack leidet.«.
Kartoffeln anbauen ist ein Ganzjahresjob: »Nach der Ernte ist vor der Ernte«, münzt Flachmeier eine alten Fußballweisheit auf die Landwirtschaft um. »Jetzt ist zwar die diesjährige Ernte eingebracht, aber in vier Wochen kommen schon wieder die Pflanzkartoffeln. Die müssen dann den Winter über vorkeimen, und sobald es die Temperaturen im März zulassen, kommen sie raus aufs Feld.« Mitte Mai liegen dann die ersten Frühkartoffeln in den Verkaufsregalen.
Frische Ernte das ganze Jahr über gibt es dagegen im Supermarkt. »Jetzt ist natürlich die Ernte aus Deutschland da, sonst kommen die Kartoffeln vor allem aus Frankreich und Italien«, sagt Mario Richter, stellvertretender Marktleiter im Markant-Markt in Löhne-Ort. Dass die Kartoffelvielfalt in den Supermärkten immer kleiner wird, kann Richter aber nicht bestätigen. »Vier bis sechs Sorten haben wir immer da.« Allerdings: »Mehlig kochende Sorten haben wir kaum noch - die sind einfach nicht mehr gefragt bei den Kunden.«
Pech also für Freya und ihre weichen Kolleginnen: Ihnen bleibt nur noch der Rückzug in die Bio-Läden oder den Privatanbau.

Artikel vom 12.10.2005