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Erstmals »Öl-Wäsche« unter Starkstrom

Moderne Reinigungstechnik am Umspannwerk: 20 Tonnen Schmierstoff vor Ort recycelt

Steinhagen (fn). Das wissen wohl die wenigsten, dass das große Umspannwerk an der Bahnhofstraße außer Strom auch noch jede Menge Öl in sich trägt. Und diese 20 Tonnen Isolieröl werden derzeit an Ort und Stelle recycelt - mit einer hochmodernen »Waschmaschine« sozusagen.

Öl dient in den aus Eisen und Kupfer bestehenden Transformatoren zusammen mit einer Papierschicht der Isolierung. Im Laufe der Jahre sammeln sich aber Alterungsprodukte und Schwebstoffe an, verfestigen das Öl. Die »Wäsche« soll nun die alten Eigenschaften wieder herstellen.
Während der Transformator, der den 110 000-Volt-Strom der Stadtwerke Bielefeld auf 10 000 Volt herunterbringt, nun regulär weiterläuft, wird der Anlage nach und nach das gealterte Öl abgezapft. In der mobilen Aufbereitungsanlage werden 2000 bis 3000 Liter pro Stunde gereinigt und dann wieder zugeführt. Der Stromkunde merkt davon gar nichts, konnte sich gestern Friedhelm Ober von den Steinhagener Gemeindewerken überzeugen.
Hier in Steinhagen wie auch am Umspannwerk Sparrenberg in der Bielefelder Burgstraße gibt es Bedarf für einen »Ölwechsel«. Das war bei der turnusmäßigen Überprüfung der Ölqualität festgestellt worden, berichtet Hans-Hermann Staasmeier, Bereichsleiter Elektrizität bei den Stadtwerken Bielefeld, die insgesamt 16 große Umspannwerke betreiben. Nach mehreren Jahrzehnten hat sich die Qualität des Schmierstoffes soweit verschlechtert, dass der Betrieb störungsanfällig werden könnte.
Erstmals bedienen sich die Stadtwerke nun aber nicht des gängigen Öltauschs im Herstellerwerk. Denn das bedeutet einen hohen Transportaufwand und produziert eine Menge Altöl. Zudem müsste der Transformator in dieser Zeit vom Netz genommen werden. Gleichzeitig erhoffen sich die Stadtwerke einen finanziellen Vorteil - »mehrere Zehntausend Euro« beziffert Staasmeier die Kosten für das Ölrecycling. Nach dieser Investition soll der 500 000 Euro teure Transformator, der 1971 ans Netz ging, noch die durchschnittliche Lebensdauer solcher Geräte von 50 Jahren störungsfrei erfüllen.
Die Firma ABB verfügt über eine von weltweit nur vier solcher mobilen Ölaufbereitungsanlagen, wie ABB-Projekt- und Vertriebsleiter Michael Kohl erläutert. Was von außen wie ein normaler Container aussieht, enthält innen eine komplexe Filteranlage sowie ein Labor. ABB-Mitarbeiter Jürgen Kühn überwacht den gesamten Prozess -ĂŠauch damit im Transformator der Ölstand gleichbleibt und der Betrieb nicht gestört wird. Das abgezapfte Öl wird erhitzt und durch Fullererde-Patronen gepumpt. Diese spezielle Tonerde filtert die störenden Stoffe heraus. In einer Vakuumkammer wird das Öl anschließend »getrocknet« und »entgast«, bevor es in den Transformator zurückgeleitet wird. Etwa ein bis zwei Prozent Altöl müssen entsorgt werden. Dafür wird Neuöl zugefügt sowie spezielle Stoffe, die die neuerliche Alterung des Öls hinauszögern sollen. »Vergleichbar mit einer Anti-Aging-Hautcreme«, meint Michael Kohl schmunzelnd.
Im Labor zeigen die kontinuierlich entnommenen Proben, wie sich die Qualität des Transformator-Öls Schritt für Schritt verbessert - abzulesen an der heller werdenden Farbe und an der stärker werdenden Oberflächenspannung. Nach etwa einer Woche wird die »Ölwäsche« in Steinhagen abgeschlossen sein, dann ist das Umspannwerk in Bielefeld an der Reihe. Der zweite Transformator am Steinhagener Standort ist übrigens nach einem technischen Defekt vor einigen Jahren noch vollständig in Ordnung.

Artikel vom 12.10.2005