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»Verleitet zum
Missbrauch!«

Existenzgründer kämpft mit Arbeitsagentur

Von Stefan Küppers (Text und Foto)
Borgholzhausen/Bielefeld (WB). Tischlermeister Sebastian Laaff ist empört über das Verhalten der Arbeitsagentur in Bielefeld. Der Jungunternehmer aus Borgholzhausen sieht ob der Ratschläge des früheren Arbeitsamtes bezüglich der Kündigung von Mitarbeitern sein Gerechtigkeitsgefühl zutiefst verletzt.

Zum Hintergrund: Tischlermeister und Holztechniker Sebastian Laaff übernahm Anfang 2003 die Tischlerei Bartling in Borgholzhausen-Bahnhof inklusive eines Tischlergesellen. Weil der heute 31-Jährige seinerzeit kaum Eigenkapital aufbringen konnte, war Laaff auf die üblichen Förderungen angewiesen.
Doch die Geschäfte im Möbel- und Ladenbau ließen sich gut an und im Herbst 2003 gab es einen dicken Auftrag. Für das kurzfristige Projekt brauchte er schnelle Unterstützung. Und wenn es gut weitergehe, könne er an die dauerhafte Einstellung eines dritten Mitarbeiters denken, überlegte Laaff. Weil er von Förderprogrammen der Arbeitsagentur gehört hatte, wonach 50 Prozent der Lohnkosten die ersten zehn Monate übernommen werden, sofern jemand eingestellt wird, der mindestens drei Monate arbeitslos war, erkundigte er sich telefonisch bei der Behörde nach den Modalitäten. Dass er hiervon keine beweiskräftige Gesprächsnotiz anfertigte, sollte sich im Nachhinein als Fehler erweisen.
Denn als er zum 22. September 2003 mit David Aguilocher einen Tischlergesellen einstellte, der ihm bereits als zuverlässiger Mann bekannt war, wurde es mit der Förderung nichts - obwohl der Geselle länger als drei Monate arbeitslos war und damit als förderfähig galt. Begründung der Arbeitsagentur: Die Einstellung sei vor der Bewilligung einer Förderung erfolgt. Der Verweis aufs Telefongespräch, bei dem keine Frist erwähnt worden sei, nützte nichts. Damit gingen 10 000 Euroverloren. Eine Summe, die Laaff gerade in 2004 bei schlechter Auftragslage so schmerzte, dass er den Gesellen beinahe ganz hätte raussetzen müssen.
Laaff ging vors Sozialgericht. Und was er und sein Anwalt Moritz Diekmeyer dort von einer Vertreterin der Arbeitsagentur hörten, empörte noch mehr als das ohnehin »extrem bürokratische Verhalten«. Die Agentur gab nämlich den »guten Ratschlag«, sich von dem quasi zu früh eingestellten Mann zu trennen und stattdessen einen anderen förderfähigen Gesellen einzustellen. Dann flössen auch Gelder. Ähnliches hatte Laaff auch schon am Telefon von einer anderen Mitarbeiterin der Agentur gehört.
Vor dem Hintergrund, dass Laaff Betriebe kennt, die Langzeitarbeitslose erst einstellen und nach genau zehn Monaten wieder kündigen, weil es dann Fördermittel nicht mehr gibt, empfindet der Existenzgründer solche »Ratschläge« schon als Verleitung zum Missbrauch. Abgesehen davon, dass er sich für seinen Mitarbeiter verantwortlich fühlt. Das Urteil des Sozialgerichtes steht übrigens noch aus.
Die Anfrage des WB zu diesem Vorgang rief bei der Arbeitsagentur in Bielefeld ungläubiges Staunen hervor. Agentur-Sprecher Jörg Krause konnte sich nicht vorstellen, dass Mitarbeiter des Hauses besagte Aussagen getroffen haben könnten. Es verweist auf § 221 des Sozialgesetzbuches, wonach Fördergelder zu verweigern sind, wenn Beschäftigungsverhältnisse beendet werden, um neu in den Genuss von Zuschüssen zu gelangen. Krause: »Wir konterkarieren nicht unsere eigene Geschäftspolitik.« Dass ohne fristgerechten Antrag kein Geld fließe, daran könne man »nichts drehen«.

Artikel vom 12.10.2005