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Fährfamilie klagte beim
Staat auf Schadensersatz

Spurensuche der Geschichtswerkstatt in Uffeln (2)

Von Wilfried Sieber
Vlotho-Uffeln (VZ). In ihrer aktuellen Spurensuche beschäftigt sich die Geschichtswerkstatt Exter mit der Historie Uffelns. In einem Beitrag geht es um die Fähre, die Uffeln mit Vlotho verband.

Auch wenn Uffeln erst seit 1973 Teil der Stadt Vlotho ist, gab es schon vorher viele wechselseitige Verbindungen. Lange Zeit war die über Generationen von den Familien Bellmann und Volbracht betriebene Weserfähre kürzester legaler Weg über den Strom.
Grossmann merkt in seiner »Geschichte der Stadt Vlotho« an, dass eine Fähre über die Weser erstmalig 1423 urkundlich erwähnt wird. In den Akten der Ravensberger Landesverwaltung weisen im 16. Jahrhundert Flurnamen auf einen Fährbetrieb für Menschen, Tiere und Handelsgut hin. 1784 wurde der Zeitpachtvertrag des Schiffers Jobst Henrich Bellmann in einen Erbpachtvertrag umgewandelt. 1875 ging die Fährgerechtigkeit durch Heirat mit dessen Nachfahrin Friederike Bellmann auf den Kaufmann und Brauereigründer Robert Volbracht über.
Nachdem spätestens Ende des 19. Jahrhunderts abzusehen war, dass die Fähre den Anforderungen auf Dauer nicht gewachsen sein würde, ist das Jahr 1924 heute als Wendepunkt in ihrer Geschichte anzusehen. Im Juli war eine Stadtverordnetenversammlung der Zeitung eine ganze Seite Berichterstattung wert, mit nur einem Tagesordnungspunkt: Dem Brückenschlag über die Weser.
Zu diesem Zeitpunkt lebte Robert Volbracht nicht mehr, die Fährgerechtigkeit war auf seine neun Kinder übergegangen. Die in Vlotho gebliebenen Brüder Robert jr. und Gustav Volbracht hatten die vom Vater übergegebene Brauerei durch schlechte Kriegs- und Nachkriegszeiten leiten können. Das Erbe der Geschwister war durch die Inflation aufgezehrt. Nur aus dem Fährbetrieb gab es noch laufende Einnahmen.
Verhindern ließ sich der Brückenbau nicht, das war allen klar. Aber im Vertrag von 1783 war festgelegt, dass der Staat den Inhaber der Fährgerechtigkeit vor Beeinträchtigungen zu schützen habe. Die in Brandenburg lebende Charlotte Volbracht, verwitwete Neuhaus, übernahm es, den Vertrag beim Wort zu nehmen und auf dem Klageweg den Staat um Schadensersatz anzugehen.
Der Prozess zog sich bis März 1930 hin: Der Brückenbau wurde in der Urteilsbegründung »mit Rücksicht auf den heutigen großen Verkehr als unvermeidliche Notwendigkeit angesehen«, man entziehe der Fähre die Betriebserlaubnis nicht, die Klage wurde abgewiesen.
Weil auch die Benutzung der Brücke bezahlt werden musste, pendelte die Fähre erst einmal weiter zwischen Uffeln und Vlotho über die Weser. Freilich mit derart geringen Einnahmen, dass der Betrieb letztlich im Februar 1937 nicht fortgeführt wurde, als der noch verbliebene Personenprahm hätte repariert werden müssen. (Teil zwei über die Geschichte der Fähre folgt)

Artikel vom 11.10.2005