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Weißes Kaninchen mit Fernstudium

Diakon Bringfried Schubert wird kommenden Sonntag von seinem Amt verabschiedet

Von Matthias Kleemann
(Text und Foto)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Vor 13 Jahren ist Bringfried Schubert zum ersten Mal in den Ruhestand gegangen, als Lehrer der Hauptschule Schloß Holte-Stukenbrock nämlich. Am kommenden Sonntag wird der inzwischen 73-Jährige erneut in den Ruhestand verabschiedet - diesmal in seiner Eigenschaft als Diakon des Pastoralverbundes St.-Johannes-St.-Achatius.

Dabei ist das Datum alles andere als zufällig gewählt. Der 16. Oktober ist nämlich der 34. Jahrestag seiner Weihe zum Diakon. Im Jahr 1971 war es, als Schubert sie vom damaligen Paderborner Erzbischof Lorenz Kardinal Jaeger empfangen hat. Hinsichtlich der Altersgrenze gelten für Diakone die gleichen Regeln wie für Priester: Mit 70 kann man, mit 75 muss man aufhören. Auf seine Bitte hat Erzbischof Hans Josef Becker ihm mit Schreiben vom 22. September mitgeteilt, dass er ihn von seinem aktiven Dienst entpflichtet.
»Damals waren wir 15, heute sind wir 150 im Erzbistum«, erinnert Schubert sich. Scherzhaft hat er sich und seinesgleichen einmal als »weiße Kaninchen« bezeichnet, in Anspielung darauf, dass selbst viele katholische Christen nicht so recht wissen, wo sie das Amt des Diakons einzuordnen haben: Ein verheirateter Mann, der ein Messgewand tragen und - scheinbar gleichberechtigt - wie ein Priester Gottesdienste zelebrieren darf? Aber es gibt entscheidende Unterschiede: »Diakon ist ein Dienstamt und kein Leitungsamt, wie das des Priesters«, sagt Schubert. Zum Beispiel bleibt das Spenden der Sakramente den Priestern vorbehalten, bis auf die Taufe, denn die darf jeder Christ spenden. Und trauen dürfen Diakone auch, denn das Ehesakrament spenden die Brautleute sich gegenseitig.
Bringfried Schubert kann man getrost einen Vorreiter unter den Diakonen nennen, denn das Amt des Diakons war in der katholischen Kirche lange vergessen und ist erst durch das zweite Vatikanische Konzil wieder errichtet worden. Das war 1964, und im gleichen Jahr bemühte Schubert sich um eine entsprechende Ausbildung. Dazu gehörte ein theologisches Fernstudium an der Domschule Würzburg und die Teilnahme an so genannten Diakonatskreisen, in denen es mehr um die Vermittlung der Praxis ging.
»Ich wollte das unbedingt«, berichtet Schubert. Die Entscheidung erklärt sich durch seinen bis dahin gegangenen Lebensweg. In Lignitz (Schlesien) geboren, aufgewachsen in Breslau, dort auch zur Schule gegangen, aber nur bis 1945. Vertreibung. Der Vater, Anthroposoph, ist im Krieg gefallen, die Mutter besinnt sich nun wieder auf ihre katholischen Wurzeln. So tritt auch der Sohn, ursprünglich in der anthroposophischen Christengemeinschaft getauft, zum katholischen Glauben über und lässt sich ein zweites Mal taufen. In der Martin-Luther-Stadt Eisleben geht der Katholik Schubert aufs Martin-Luther-Gymnasium und zur Martin-Luther-Universität in Halle/Saale und wird Lehrer für Deutsch und Geschichte.
An der Mittelschule in Eisleben unterrichtet Schubert und gerät schnell in Konflikt mit den kommunistischen Machthabern. Er weigert sich, die so genannten Jugendstunden zu unterrichten und begleitet seine Klassen auch nicht zur Jugendweihe. Als er merkt, dass die Gefahr für ihn und seine Familie - er ist seit 1955 mit seiner Frau Bärbel geb. Bonin verheiratet und hat drei Kinder (später ein viertes) - zu groß wird, beschließt er die Flucht bei Nacht und Nebel, drei Tage vor dem Mauerbau, am 10. August 1961.
Logischerweise führt der Weg ihn nach Paderborn (Eisleben gehörte damals zum Erzbistum Paderborn). Dort freut man sich über einen Lehrer, der die Mentalität der Aussiedler aus Ostpreußen und Oberschlesien kennt. Er wird Lehrer an der Förderschule für Aussiedler im Sozialwerk Stukenbrock auf dem Gelände der heutigen Polizeischule in Stukenbrock-Senne. Diese Schule ist der Hauptschule Stukenbrock angegliedert, Schubert bringt es zum »internen Schulleiter der Förderklassen«.
Später, als die Schule nach Schloß Neuhaus umgesiedelt wird, bleibt Schubert in Stukenbrock und unterrichtet an der Hauptschule. Er erlebt die Zusammenlegung mit der Hauptschule Schloß Holte und geht 1992 in Pension. In die Heimat Eisleben zieht es ihn noch zu DDR-Zeiten, 1975 besucht er die Stadt erstmals wieder, nachdem er sich vergewissert, dass nichts mehr gegen ihn vorliegt. Zuletzt war er erst vor wenigen Wochen da, mit einer Reisegruppe der Gemeinde. »Das war sozusagen meine Abschiedsfahrt.«
Schon zu DDR-Zeiten war Bringfried Schubert CDU-Mitglied. In Stukenbrock war er für die Partei als sachkundiger Bürger im Schulausschuss, später, nach der Diakonweihe als beratendes Mitglied. Er ist Gründungsmitglied der Kolpingsfamilie und - 1968 - des Volksbildungswerkes Stukenbrock, dem Vorläufer der Volkshochschule Schloß Holte-Stukenbrock, deren Geschäftsführer er in den 70-er Jahren war, bevor es zur Neugründung des jetzigen VHS-Zweckverbandes und einer hauptamtlichen Leitung kommt. »Wir haben gearbeitet wie die Pferde«, erinnert sich Schubert. Einer seiner Mitstreiter war übrigens Manfred Büngener.
Schließlich ist Schubert auch im Bund der Vertriebenen (BdV) als Vorstandsmitglied aktiv, und er gehört dem Vorstand des schlesischen Priesterwerks an, das sich um die Betreuung der religiösen Kultur der Vertriebenen bemüht.
Der Abschiedsgottesdienst für Bringfried Schubert findet am kommenden Sonntag um 10 Uhr in der St.-Achatius-Kirche in Stukenbrock-Senne statt.

Artikel vom 12.10.2005