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Am Ende überwiegt der Hilfs-Gedanke

Mitglieder der Blaukreuz-Gruppe betreuen im Rahmen des Projektes Lotse Strafgefangene

Von Karin Koteras-Pietsch
Herford (HK). Ein wenig unwohl war ihnen schon. Schließlich wussten sie nicht, was auf sie zukommt. Und als sie zum ersten Mal in der JVA Herford standen, überfiel sie ein beklemmendes Gefühl. Jede Tür verschlossen. Alles vergittert. Und dennoch kommen Norbert Fischer, Herbert Schöder und Willi Nolte jeden Monat wieder. Seit zwei Jahren schon. Die Drei sind Mitglieder der Herforder Blaukreuz-Gruppe und betreuen in der Justizvollzugsanstalt im Rahmen des Projektes Lotse eine Gruppe junger Alkoholiker.

Das Projekt Lotse wird seit 1996 durch das Justizministerium des Landes NRW gefördert, um mehr Menschen in der ehrenamtlichen Straffälligenhilfe zu unterstützen. In Herford werden beispielsweise Lotse-Gesprächskreise für Ehrenamtliche oder Interessierte mit jeweils unterschiedlichen Themen angeboten.
An diesen Treffen nehmen auch die drei Mitglieder der Blaukreuz-Gruppe regelmäßig teil, um mehr über den Strafvollzug und die Insassen zu erfahren. Sie erhalten hier wichtige Informationen unter anderem für den Umgang mit Strafgefangenen.
Vor etwa zwei Jahren, so erzählt Norbert Fischer, hätte die JVA bei der Blaukreuz-Gruppe angefragt, ob nicht der eine oder andere eine Betreuung übernehmen möchte. »Anfangs waren wir skeptisch« erzählen Fischer, Nolte und Schöder. Damals hätten sie nicht geglaubt, so lange durchzuhalten. Doch sie sind immer noch dabei, obwohl sie nicht wissen, ob sie je auch nur einen Strafgefangenen von der Alkoholsucht »wegbringen«, obwohl der Kontakt zu den Insassen nach der Haft abbricht und obwohl sie nie erfahren, ob ein Entzug erfolgreich war. »Wenn wir nur einem der jungen Männer helfen konnten oder können«, sagen die drei Blaukreuzler, »dann haben wir eine Menge erreicht.«
Jeden dritten Donnerstag im Monat sind Norbert Fischer, Willi Nolte und Herbert Schöder an der Eimterstraße. Etwa eine Stunde lang haben sie Gelegenheit zum Gespräch mit der Gruppe meist mit vier bis sechs alkoholsüchtigen Strafgefangenen. Die Atmosphäre ist freundlich. Von sich aus, über sich selbst und ihre Taten erzählen die Insassen meist sehr wenig. Fragen werden kaum gestellt. »Wir müssen sie in ein Gespräch verwickeln«, sagen die drei Herforder. Und dann können sie die jungen Männer aus der Reserve locken.
Ihr größtes Problem, so kommt immer wieder zum Ausdruck, ist sicher die Tatsache, dass sie nach der Entlassung wieder in »alte Kreise« geraten, in denen getrunken wird. In betrunkenem Zustand begehen sie möglicherweise wieder Straftaten. Nach dem Entzug Kontakt zu »alten Freunden« haben, bedeute für einen Alkoholiker das Ende, wissen die Betreuer aus eigener Erfahrung. Da habe man kaum eine Chance, trocken zu bleiben. Sie versuchen immer wieder und sehr eindringlich den Strafgefangenen deutlich zu machen, dass sie ihr Umfeld nach der Haft ändern müssen.
Manchmal, so haben die Betreuer schon erfahren, nutzen die Strafgefangenen schon den ersten Freigang, um sich Alkohol zu kaufen. »In solchen Momenten«, so Norbert Fischer, »fragt man sich schon, warum man eigentlich jeden Monat wieder hierher kommt.« Aber dann überwiegt doch wieder der Gedanke zu helfen.

Artikel vom 10.10.2005