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In Brot und Brötchen
steckt echte Handarbeit

Bäcker ließ sich nachts über die Schulter schauen

Hohenwepel (thö). Wenn andere zu Bett gehen, beginnt für Berthold (51) und Daniel (29) Henke und ihre drei Gesellen in der Hohenwepeler Backstube die Arbeitsnacht, denn bereits ab 22.30 Uhr wird der erste Teig in Brötchenform gebracht. In der Nacht von Freitag auf Samstag ließen sich Henkes bei der »Nacht des Backens« von Dutzenden interessierter Besucher über die Schulter schauen.

Wie kommt die Marmelade in die Berliner? Wie viele Brötchen backt ihr jede Nacht? Mit solchen und ähnlichen Fragen löcherten vor allem die vielen Kinder die beiden Bäckermeister. Alle Besucher trugen wie die Bäcker aus hygienischen Gründen kleine Papiermützen.
In der Backstube war es warm, denn die ersten Mohn- und Sesamzöpfe backten schon im großen Ofen. Nebenan zog Geselle Robert Rox (25) mit geübten Handgriffen Roggenbrötchenrohlinge durch eine Schüssel mit Mehl und verteilte sie in größeren Abständen auf ein Backblech. »Damit sie später gut aufgehen und nicht zusammenbacken«, erklärte der Niesener. 500 dieser dunklen Brötchen lagen dann am Samstagmorgen in den Auslagen der Filialen.
Die »Nacht des Backens« war eine Aktion des Zentralverbandes des Bäckerhandwerks. Mehr als 250 Bäcker haben sich bundesweit an der Aktion beteiligt. »Für uns ist dies eine willkommene Gelegenheit, unsere Arbeit vorzustellen und unsere Kunden näher kennenzulernen«, erläuterte der Juniorchef: »Die Käufer können erfahren, dass hier echte Handarbeit drinsteckt, die ihr Geld auch wert ist.«
Das sah auch Ulrike Wolf (29) aus Ossendorf so. Die junge Mutter war mit ihrer dreijährigen Tochter Celine zu Henkes gekommen. »Mein Tochter ist kürzlich nach einem Kindergartenausflug in die Backstube begeistert nach Hause gekommen, und da habe ich entschieden, mir das auch einmal anzusehen«, berichtete die junge Mutter.
Die Handwerksbäcker sehen sich deutschlandweit von so genannten SB-Bäckereien unter Druck gesetzt. Auch die zunehmende Preissensibilität der Kunden habe den Wettbewerb verschärft, weiß Henke. Nach Angaben des Zentralverbandes sind dies auch Gründe für eine verstärkte Konzentration. Zwischen 1999 und 2003 haben deutschlandweit etwa 3000 Bäcker das Feuer in ihren Öfen für immer gelöscht.
Für Handwerksbetriebe wie die Bäckerei Henke stehen die Zeichen deshalb auf Qualitätserhaltung und die ständige Suche nach der Nische. Für Qualität steht vor allem die Verarbeitung heimischer Produkte. »Unser Mehl beziehen wir ausschließlich von dem Wormelner Müller Peter Ruhberg«, erzählte Henke. Mit dem Landbierbrot habe die Bäckerei in Zusammenarbeit mit der Warburger Brauerei zudem ein erfolgreiches Nischenprodukt auf den Weg gebracht.
Das Geheimnis seines Handwerks sieht Seniorchef Berthold Henke im Teig: »Einem guten Teig müssen wir seine Zeit geben, er muss gehen und reifen, das macht hinterher den Geschmack aus.«
Und wie kommt nun die Marmelade in die Berliner? Daniel Henke zeigt auf einen Eimer mit einer eigenartigen Edelstahlkonstruktion. Zwei lange dünne Rohre schauen heraus. »Hier wird das Gebäck aufgesteckt und mit einem Druck Vierfruchtmarmelade in die Berliner gepumpt«, erklärte der Bäckermeister. 220 Berliner wurden auf diese Weise in der »Nacht des Backens« befüllt.

Artikel vom 11.10.2005