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Ein Himmel
voller Farben

Drachenfest auf der Aqua Magica

Von Moritz Winde (Text und Fotos)
Löhne (LZ). Die Besucher auf dem Aqua-Magica-Gelände reckten die Hälse in die Luft und betrachteten staunend die Farbenpracht am Horizont. Das Drachenfestival lockte am Wochenende Tausende Menschen nach Gohfeld.

Dabei präsentierten nicht nur Spezialisten ihre hochwertigen Lenkdrachen, sondern auch Amateure hatten Gelegenheit, ihre Konstruktionen fliegen zu lassen und sich den einen oder anderen wertvollen Tipp von den aus ganz Deutschland angereisten Profis zu holen. Einziger Wermutstropfen: Für viele Drachen reichte der schwache Wind nicht aus.
»Drachenfliegen bedeutet für mich ein Gefühl von Freiheit. An der frischen Luft zu sein und dem Wind ein Schnippchen zu schlagen, ist für mich die Faszination dieses Sports.« Organisator Jürgen Boberg war es abermals gelungen, die deutsche Drachenflieger-Elite nach Löhne zu holen. Der 49-jährige Bad Oeynhausener, der sich kein Drachenfestival in Deutschland entgehen lässt, hat mit Helmut Steinbock und Claudia Duch gemeinsam bereits zum dritten Mal die Veranstaltung auf die Beine gestellt. »Warum sollte man so etwas nicht auch in Löhne schaffen. Woanders klappt es doch auch«, erzählte Boberg, dass es vor rund drei Jahren spontan zu der Idee des Löhner Drachenfestivals gekommen war.
Dennoch gibt der Flugkünstler auch zu, dass Ostwestfalen nicht unbedingt für das Drachenfliegen geeignet sei. »Natürlich sind die Bedingungen an der Küste besser. Da ist einfach mehr Wind.« Zu stürmisch darf es für die hochwertigen Flugobjekte aber ebenfalls nicht sein, wobei je nach Form, Gewicht und Größe jeder Drachen seinen eigenen Wind benötigt. Optimal seien 20 Stundenkilometer Windgeschwindigkeit. Diese gab es bei strahlendem Sonnenschein am Wochenende leider nicht, so dass die Teutoburger-Kiting-Crew aus Bielefeld nicht in der Lage war, das Janosch-Märchen »Oh wie schön ist Panama« vorzuführen. »Das Wetter eignet sich nicht für unsere Drachenshow. Die zwölf Rokkakus sind zu schwer«, bedauerte Ralf Kischker. Nur Anfertigungen mit leichtem Gestänge und großer Segelfläche seien bei diesem lauen Lüftchen flugfähig.
Denn Drachen ist nicht gleich Drachen. Da gibt es Ein- und Zweileinerdrachen, Sportlenkdrachen, Kastendrachen, asiatische Flachdrachen, Flugsaurier und in der Nacht auch beleuchtete und reflektierende Drachen. »Aber das ist nur eine sehr kleine Auswahl«, sagte Jürgen Boberg, der rund 90 Flieger sein Eigen nennt. Dabei hat er sich nicht auf eine Art von Drachen festgelegt: »Ich fliege alles quer durch die Bank.«
Anders ist das hingegen bei Sissi Layh. »Ich habe schon immer gerne mit Naturmaterialien gearbeitet«, sagte die Drachenbastlerin und zeigt den ausschließlich aus Bambus und Seide bestehenden Centipeden. »Das ist ein chinesischer Seidendrachen. Er ist 50 Meter lang«, erklärte die Fachfrau, die mit ihrem Ehemann etwa vier Monate zur Herstellung dieser aufwändigen Konstruktion benötigte. Der Centipeden hat in China eine große Bedeutung. »Bei der Geburt eines Sohnes wird ein solcher Drache steigen gelassen und am höchsten Punkt die Schnur durchgeschnitten. Wenn er ohne sie weiterfliegt, ist das Kind von Gott gesegnet«, weiß Sissi Layh um die Tradition des Centipeden.
Mit dem genauen Gegenstück zu diesen wuchtigen Phantasiebauten beschäftigt sich Heiko Rosskamp. Miniatur-Drachen sind die große Leidenschaft des Oldenburgers, der von Handgröße bis zur Fingernagelgröße in filigraner Kleinstarbeit die kleinen Flieger in seiner Freizeit bastelt. »Das ist für mich der ideale Ausgleich zum stressigen Arbeitsalltag«, erklärte der Service-Techniker, der den neugierigen Passanten bereitwillig seine kleinen Fluggeräte vorstellte.
»Ich wusste gar nicht, dass so viel unterschiedliche Drachen existieren. Gibt es denn gar nicht mehr den klassischen Drachen mit Lattenkreuz, umlaufender Schnur und mit bunter Papierbespannung?«, fragte verblüfft Rosemarie Honemyer. Sie genoss das Schauspiel am Himmel mit ihrem Ehemann Wolfgang auf einer Parkbank sitzend und fühlte sich in ihre Kindheit zurückversetzt. Nach diesem eindrucksvollen Erlebnis überlegt sie, sich einen Drachen zuzulegen. Das ist gar nicht so kostspielig. »Gute Einsteigerdrachen gibt es bereits für 20 Euro. Mann sollte sich aber im Fachhandel beraten lassen«, sagte Jürgen Boberg, der sich schon mit den Planungen des Löhner Drachenfestivals im kommenden Jahr beschäftigt.

Artikel vom 10.10.2005