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»Bunsen Tine« ist ein Fürstenberger Original. Kaum jemand, der Katharina Kumbruch nicht kennt. Foto: Anna Herbst

»Bunsen Tine« kennt im Dorf jedes Kind

Ein Fürstenberger Original erzählt: Auf Festwagen in Holschen Sauerkraut gestampft

Fürstenberg (WV). Herbstmarktkirmes in Fürstenberg: Eine, die beim Seniorennachmittag am heutigen Samstag mit Sicherheit dabei sein wird, ist Katharina Kumbruch. Sie ist ein echtes Fürstenberger Original. Karneval, Schützenfest, Theaterspielen - nichts hat sie ausgelassen. »Bunsen Tine« wurde 1912 als eines von acht Kindern geboren, hat ihr ganzes Leben in dem Ort an der Karpke verbracht und kennt sich aus in der Fürstenberger Festkultur. WV-Mitarbeiterin Anna Herbst hat die 93-Jährige im St. Clemens Altenheim besucht.

Frau Kumbruch, können Sie sich noch gut an Ihre Kindheit in Fürstenberg erinnern? Katharina Kumbruch: An meine Kindheit denke ich gerne zurück. Wir hatten ja kaum Spielzeug, aber wir waren trotzdem glücklich. Manchmal haben meine Eltern die Ketten von den Kühen an den Leiterwagen gebunden, dann hatte ich eine Schaukel, das war toll. Aber besonders ist mir in Erinnerung geblieben, dass ich in der Schule jedes Mal, wenn der Direktor zu uns in die Klasse kam ein Gedicht aufsagen musste. Die kann ich übrigens alle heute noch.

Wie sah es in Fürstenberg denn früher aus?Katharina Kumbruch: Oh, Fürstenberg war ein sehr idyllisches Dorf. Am schönsten war es immer, wenn die Ernte vom Feld eingefahren wurde und die Hühner aus allen Ecken auf die Straßen kamen, um die restlichen Körner zu fressen. Jeden Morgen wurden alle Kühe aus dem ganzen Dorf zusammen auf die Kuhweide getrieben und abends kamen sie um Punkt sechs zum Melken zurück.

Haben Sie denn zuhause gearbeitet?Katharina Kumbruch: Ja, an erster Stelle war ich natürlich Hausfrau, vor allem da wir auch noch Vieh, wie Kühe, Schweine, Hühner und Enten hatten. Außerdem habe ich viel für andere Leute gekocht und im Krankenhaus geholfen. Und dann war ich noch vereidigte Brückenwägerin. Denn Beruf gibt es heute schon gar nicht mehr.

Was haben sie da gemacht?Katharina Kumbruch: Die Brückenwaage, die es damals in Fürstenberg gab, war ja genau vor unserer Haustür und immer wenn jemand kam und etwas wiegen wollte - wie Steine, Korn oder auch Tiere - musste ich es für ihn wiegen. Manche haben dann immer gesagt, ich hätte viel zu genau aufs Gramm geachtet.

Und die Feste?Katharina Kumbruch: Ja, die haben wir alle mitgenommen. Ich kann mich besonders an den Umzug zum Erntedankfest erinnern, ähnlich wie heute der Rosenmontagszug. Einmal habe ich da zusammen mit einigen Freundinnen mit Holzschuhen an den Füßen auf dem Erntedankwagen Sauerkraut gestampft.

Gab es damals auch schon Schützenfest?Katharina Kumbruch: Aber natürlich. Da mein erster Mann Schreiner war, musste er sogar immer den Vogel für das Vogelschießen machen und ich habe dazu die Jeckpuppe genäht. Damals nach dem Krieg wurde übrigens nicht auf den Vogel geschossen sondern mit Keulen geworfen.

Waren sie zweimal verheiratet?Katharina Kumbruch: Ja, nachdem mein erster Mann, Anton Bunse, gestorben war, habe ich mit 70 Jahren zum zweiten Mal geheiratet, deshalb heiße ich heute auch Kumbruch und nicht mehr Bunse, aber im Dorf sagen die Meisten immer noch Bunsen Tine.

Sie waren also immer fest in Fürstenberg verwurzelt? Katharina Kumbruch: Oh, ja. Ich habe mich immer in allen Vereinen engagiert. Am liebsten habe ich zusammen mit der Frauengemeinschaft Theater gespielt. Manchmal sind wir in anderen Orten aufgetreten, einmal sogar in Neuenheerse. Damals natürlich auf Plattdeutsch.

Sprechen sie heute noch Plattdeutsch?Katharina Kumbruch: Ja, gerne. Ich finde, dass Platt eine viel schönere Sprache ist, die Ausdrücke sind viel kräftiger. Wir haben zuhause früher nur Platt gesprochen, Hochdeutsch habe ich erst in der Schule gelernt. Und auf Weiberfastnacht habe ich sogar Büttenreden auf Plattdeutsch gehalten.

Fühlen Sie sich wohl hier im St. Clemens Altenheim?Katharina Kumbruch: Ja, sehr. Mich verbindet viel mit diesem Haus, schließlich bin ich hier schon geboren, damals war es natürlich noch ein Krankenhaus. Außerdem habe ich hier viele Jahre den Nonnen geholfen und in der Küche gekocht. Als ich dann älter war, bin ich einmal die Woche zum Gottesdienst hierher gekommen. Da habe ich immer zu den Schwestern gesagt: »Wenn ich einmal alt bin, dann habt ihr aber ein schönes Plätzen für mich, oder?« Jetzt bin ich sogar im Heimbeirat.

Darf ich noch ein Foto von Ihnen machen?Katharina Kumbruch: Da können Sie aber froh sein, dass ich meine Zähne wieder habe. Ohne die hätte ich aber auch alles aufgeben müssen, was ich gerne mache: Viel Lachen und Kotelett essen.

Artikel vom 08.10.2005