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Jugend ist reif
für die Straße

Führerschein mit 17 gestartet

Von Anna Klöpper (Text und Foto)
Löhne (LZ). Im benachbarten Niedersachsen bereits erfolgreich getestet und seit dem 1. Oktober auch in Nordrhein-Westfalen erlaubt: Minderjährige hinter dem Steuer. Auch in den heimischen Fahrschulen kommen die ersten Teenager zur Theoriestunde - und ihre Fahrlehrer versprechen sich viel von dem Frühstart.

»Ich habe schon lange darauf gewartet, dass so ein Gesetz kommt«, sagt Peter Bjelobaba von der Fahrschule Jochem in Mennighüffen. »Ein Jahr Fahren in Begleitung wird den Jugendlichen enorm viel Sicherheit und Erfahrung geben.« Mindestens 30 Jahre muss die Person auf dem Beifahrersitz alt sein, den Führerschein seit wenigstens fünf Jahren besitzen, und mehr als drei Punkte in der Verkehrssünderkartei in Flensburg sind auch nicht erlaubt, schreibt das neue Gesetz vor.
Wenn die Jugendlichen dann ab dem 18. Geburtstag das erste Mal ohne Beifahrer mit Freunden unterwegs seien, hätten sie wenigstens schon etwas mehr Gefühl für das Auto bekommen, sagt Bjelobaba: »Schließlich ist es doch nun mal so, dass sich viele Jugendliche gerne vor ihren Freunden beweisen wollen - und wenn sie dann schon anfangen zu rasen, haben sie wenigstens bereits ein Jahr Fahrpraxis hinter sich.«
Auch Fahrlehrer Michael Kindervater von der gleichnamigen Fahrschule in Bünde ist sich sicher: »Ein Jahr unter der Kontrolle eines Beifahrers unterwegs zu sein, wird den Jugendlichen einiges an Erfahrung auch in Grenzsituationen bringen.« Dieser Meinung scheinen ebenfalls viele Eltern zu sein - auch wenn sie meistens die Begleitpersonen sind, die dann auf dem Sitz neben dem Lenkrad Platz nehmen müssen, wenn der Nachwuchs Termine hat. »Mein Mann und ich werden unsere Tochter in jedem Fall unterstützen. Diese zusätzliche Sicherheit, die Ann Kristin in diesem Jahr bekommt, ist uns der Zeitaufwand in jedem Fall wert«, sagt Birgit Kreft. Tochter Ann Kristin gehörte zu den ersten, die sich am 1. Oktober für den Führerschein mit 17 bei Peter Bjelobaba angemeldet haben.
Hinter dem Steuer sitzen und aufs Gaspedal treten durfte Ann Kristin zwar noch nicht, doch die Theoriebögen kennt sie bereits. »Klar finde ich es besser, wenn ich schon mal ein bisschen Übung bekomme - auch wenn mir bestimmt erst ein bisschen komisch zu Mute ist, wenn meine Mutter und nicht mehr der Fahrlehrer neben mir sitzt«, sagt Ann Kristin. Denn bremsen könne ihre Mutter im Notfall ja nicht, überlegt die 17-Jährige.
Die Erfahrungen, die das Bundesland Niedersachsen mit dem frühen Führerschein bereits gemacht hat, sprächen eine sehr deutliche Sprache, meint Fahrlehrer Siegfried Heuer aus Löhne: »Von 3 000 Jugendlichen, die ihren Führerschein auf Probe gemacht haben, wurden nur vier als Unfallfahrer registriert - und zwar, nachdem sie bereits ein Jahr lang allein unterwegs auf den Straßen sein durften.«
Diese Zahlen hätten ihn überzeugt, meint Heuer, der dem neuen Führerscheingesetz zunächst skeptisch gegenüberstand. »Ich war mir nicht sicher, ob die Jugendlichen mit 17 schon reif genug für den Straßenverkehr sind.«
Auch Ann Kristins Mutter findet die Herabsetzung des Mindestalters nicht problematisch: »Je jünger man ist, desto besser lernt man schließlich.« Und das eine Jahr früher oder später mache, was das Verantwortungsbewusstsein angeht, sowieso kaum etwas aus, ergänzt Peter Bjelobaba dazu: »Schließlich sind ja auch schon 16-Jährige mit ihren Mofas im Straßenverkehr unterwegs.«
Die Nachfrage unter den 17-Jährigen - und ihren Eltern - nach dem Führerschein sei jedenfalls da, meint Bjelobaba: »Seit dem 1. Oktober haben sich schon acht für den neuen Führerschein auf Probe angemeldet.« Auch Kollege Michael Kindervater sagt: »Die Schüler für den neuen Führerschein machen bereits 20 Prozent bei uns aus.«

Artikel vom 07.10.2005