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Traum vom Schreiben verwirklicht

Wahl-Gütersloher Horst Hensel (58): Vom Arbeiterkind zum Schriftsteller

Von Christoph Handwerk
Gütersloh (WB). Schriftsteller haben häufig ein Problem: Die Honorare für die Veröffentlichungen sind am Aufwand gemessen niedrig, die Auflage ebenfalls. So erlebt es auch Horst Hensel: »Schreiben war immer mein Traumberuf, aber um davon leben zu können, reicht es einfach nicht.« Hauptberuflich als Lehrer an einer Gesamtschule angestellt, publiziert der 58-Jährige seit nunmehr 25 Jahren.

Der gebürtige Kamener entdeckte bereits als Schüler seine Leidenschaft für die Schriftstellerei. »Mit 17 Jahren habe ich mich auf eine Reise quer durch die gesamte Weltliteratur begeben. Bisher habe ich den Zielhafen noch nicht erreicht«, beschreibt Horst Hensel sein »liebstes Hobby«. Die Begeisterung für das Schreiben sei ihm von seinen Eltern in die Wiege gelegt worden. »Ich stamme zwar aus einer einfachen Bergarbeiterfamilie, aber meine Eltern genossen es sehr, die Geschichten ihrer Jugend besonders wortgewandt auszuschmücken. Am schönsten war es immer, wenn auf Familientreffen alle in ihren Erinnerungen schwelgten und ich als kleiner Junge mit großen Ohren zuhören durfte«, erläutert Horst Hensel sein Faible für Wortspiele.
Die Realität sah vorerst aber ganz anders aus: Lehre als Stahlarbeiter, danach jeden Tag um 6 Uhr morgens den Bus nach Dortmund nehmen. Harte Arbeit, wenig Vergnügen, schlechte Bezahlung. Erst als ihm eines Morgens ein Exemplar des Spiegels in die Hände fiel, begriff der junge Hensel, dass dies nicht seine Welt war. »Auf dem Cover war eine Großaufnahme von Ernest Hemingway. Ich las den Artikel und war auf seltsame Weise fasziniert von einem Menschen, der trotz seines immensen Erfolgs den Freitod wählte«, sagt Horst Hensel.
Danach stand für ihn fest: Ich will studieren, um später als Schriftsteller arbeiten zu können. Während der nächsten Jahrzehnte übte der 58-Jährige die unterschiedlichsten Tätigkeiten aus. Er produzierte Dokumentationen für den WDR, lehrte an der Universität Bielefeld und veröffentlichte mehr als 20 Romane und Sachbücher zu unterschiedlichsten Themenfeldern. »Die Auflagen variieren stark. Am besten verkaufte sich ein pädagogisches Sachbuch zum Thema Kinder und Schule. Das erreichte eine Auflage von schätzungsweise 50 000 Exemplaren«, berichtet Horst Hensel.
An einem einzigen literarischen Vorbild habe er sich dabei nie orientiert. »Zwar haben mich Autoren wie Wolfgang Koeppen, Cormack McCarthy oder auch Gustave Flaubert sehr beeindruckt, aber ein einziges Vorbild hervorzuheben, ist schwierig«, erklärt der Schriftsteller.
Während dieser Zeit blieben auch skurrile Ereignisse nicht aus: »Kurz nach der Veröffentlichung eines Romans über den Widerstand gegen das Nazi-Regime sollte ich eine Lesung in Dortmund halten. Der Ortsverein der Grünen war jedoch der Ansicht, dass im Roman rechtsradikale Tendenzen wiederzufinden seien. Ich sollte mundtot gemacht werden, aber im Endeffekt konnte ich die Lesung dank der Unterstützung einiger Dortmunder Journalisten doch noch halten«, schildert Hensel dieses Abenteuer.
Sein aktueller Roman mit dem Titel »Sturzacker« weist starke autobiographische Züge auf. Darin erzählt der Autor die Geschichte eines Jungen, der alles daran setzt, um der Tristesse des Dortmunder Arbeitermilieus zu entfliehen.
Momentan befindet sich Horst Hensel in der Konzeptionsphase zu seinem nächsten Roman. »Das wird eine Kriminalgeschichte, die unter anderem in Gütersloh spielen soll. Ich suche noch nach den passenden Charakteren, denn Verbrecher finden sich hier nicht so viele«, meint er.
Fasziniert ist er von der kulturellen Vielfalt der Stadt. Daher möchte Horst Hensel, wenn möglich, in Zukunft auch als Lehrer in Gütersloh arbeiten: »Dafür würde ich sogar an einer Gefängnisschule unterrichten.«

Artikel vom 10.10.2005