08.10.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Unfall und Folgen schrecken auf

Jugendzeitschrift »Bravo« berichtet über Gavin Kullas Leben im Wachkoma

Kreis Gütersloh (WB). »Endlich bin ich 18«, Sarah Connor auf Tour, der Psychotest »Wie wild bist du wirklich drauf?«, Starkult und ein bisschen Aufklärungsunterricht - und mitten drin die Reportage »Dieser Junge lebt im Wachkoma!« Die Jugendzeitschrift »Bravo« berichtet, wie Gavin Kulla heute lebt.

Der damals 14-Jährige verunglückte am Muttertag 2002 mit dem Fahrrad ohne Helm auf der Bundesstraße 68 auf dem Weg zum Safaripark in Stukenbrock. Sein Fall dient Polizeihauptkommissarin Ellen Haase als Beispiel, mit dem sie Schüler bewegen will, beim Radfahren und Inline-Skaten einen Helm aufzusetzen. Über den Bericht in der Bravo sprach WESTFALEN-BLATT-Redakteurin Monika Schönfeld mit Ellen Haase, Verkehrssicherheitsberaterin bei der Kreispolizeibehörde Gütersloh.

Gavin in der Bravo - wie finden Sie das?Ellen Haase: Das finde ich klasse. Damit erreiche ich die Zielgruppe der Schüler der weiterführenden Schulen - und zwar bundesweit. Bei einer Million Auflage sind das etwa zwei bis drei Millionen Leser, denen gezeigt wird, was passieren kann, wenn sie ohne Helm Fahrrad fahren.

Wie kam der Kontakt mit der Bravo zustande? Ellen Haase: Das ist nicht mein Verdienst, sondern das der Hannelore-Kohl-Stiftung, die sich um Menschen mit einer Schädigung des zentralen Nervensystems kümmert. Die Stiftung hat bei der Bravo angefragt. Als die Redaktion nach einem Beispielfall fragte, landete sie bei mir und damit bei Gavin.

Ist die ganze Abschreckung nicht zunichte gemacht, weil es dem Jungen schon viel besser geht als noch vor einem Jahr? Ellen Haase: Ich will nicht abschrecken, sondern aufschrecken. Bei meinen Besuchen in den Schulen lebt der Unterricht durch den authentischen Kontakt. Ich habe den Jungen gesehen, als er ohne Schädelplatte im Krankenhaus war und habe die Eltern betreut. Bei der Hannelore-Kohl-Gala waren die Eltern und ich im Fernsehen. So kann ich vermitteln, wie es einem geht, der keinen Helm aufhatte. Obwohl Gavin heute gut aussieht, muss er als 16-Jähriger Pampers tragen, der Pflegedienst muss ihn anziehen. Er ist weit weg vom Alltag eines gesunden Jugendlichen. Bis heute spricht er nicht und hat keine Freunde mehr. Gavin hat mal Karate betrieben und war ein Computerfreak. Der Junge hat einen Namen, er ist bei uns im Kreis Gütersloh verunglückt und Frau Haase kennt ihn - das wirkt.

Was beeindruckt die Schüler am meisten? Ellen Haase: Ich habe Schüler in Gütersloh gebeten, sich drei Fragen zu überlegen, die sie Gavins Mutter stellen wollen. Wir haben sie angerufen. Die Schüler fragten, woher sie die Kraft nimmt, sich aufopferungsvoll um Gavin zu kümmern, wo seine Freunde sind und wie die Umwelt reagiert. Freunde hat er nicht mehr, Nachbarn und alte Bekannte wechseln die Straßenseite, wenn sie mit Gavin zum Einkaufen geht.

Trotzdem tragen wenige Jugendliche beim Fahrrad fahren einen Helm. . . Ellen Haase: Vor allem die Jungs sind schwer zu beeindrucken. Ihre Gelhörner im Haar sind das wichtigste in ihrem Leben. Ihnen gebe ich einen fünf Zentimeter breiten Papierstreifen, der dem operierten Kopf ähnlich sieht und lasse sie in den Spiegel schauen. Solch eine Wunde macht hässlich. Die Botschaft ist: Ich will nicht werden wie Gavin. Die Schüler finden es spannend, dass ich im Fernsehen war. Ein Bild von mir wird auf einen Spiegel geklebt und die Aufforderung: Helm aufsetzen nicht vergessen. Dadrunter steht: Mir zuliebe. Dem zuliebe, der in den Spiegel schaut. Ich zeige dann auch positive Beispiele, in denen Jugendliche, die einen Helm getragen haben, nur drei Stunden im Krankenhaus waren und unversehrt blieben.

Geht das denn nicht nur mit positiven Beispielen? Ellen Haase: Der Film über Gavin, der Fall von Beate, das Bild des Schädels oder die positiven Beispiele - beeindruckend finden Schüler alles zusammen. Mein Material ist über die Jahre gewachsen. Ich habe Filme, Fotos, Berichte. Diese Art der Vorbeugung hat bei zwölf Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen guten Zuspruch gefunden und auch jüngst beim Polizeikongress in Köln vor 300 Zuhörern. Ich habe eine Einladung aus Österreich, um in Wien Verkehrserzieher fortzubilden. Nur positive Beispiele ziehen nicht. Positiv ist aber, dass der erste Wettbewerb »Think ahead« des Kuratoriums ZNS, bei dem die Realschule Schloß Holte-Stukenbrock 2003 die ersten drei Preise eingeheimst hat, bundesweit fortgeführt wird. Unter dem Titel »Go ahead« können Videoclips eingereicht werden.
Ellen.Haase@guetersloh.polizei.nrw.de
www.spotwettbewerb.de

Artikel vom 08.10.2005