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Im Zweifel für die Jugend

Kruse, Brinkmann, Brocke: Jos Luhukay lässt Worten Taten folgen

Von Peter Klute
Paderborn (WV). »Ich spüre das Vertrauen des Trainers, das war nicht immer so.« Was Torwart Lukas Kruse ausspricht, denken viele Nachwuchsspieler beim Zweitligisten SC Paderborn 07. Ob Kruse, Daniel Brinkmann oder Oliver Brocke, um die drei hoffnungsvollsten Talente zu nennen - das Wort Eigengewächs bekommt in dieser Saison einen neuen Stellenwert. Hauptverantwortlich: der neue Coach Jos Luhukay.

Wie heißt es immer so schön: Es gibt keine alten und jungen Spieler, es gibt nur gute und schlechte. Das sagen alle Trainer, der Holländer handelt auch so. Namen sind Schall und Rauch, es zählt nur die Leistung. Das sind bei Luhukay keine Floskeln, was manch arrivierter Kicker schon schmerzhaft erfahren musste. Wie etwa die zwei prominentesten Neuzugänge Danijel Stefulj und Dusko Djurisic, die sicher nicht günstig zu haben waren und allein deshalb einen Stammplatz sicher zu haben schienen. Kapitän Stefulj wurde nach dem Saisonauftakt in Unterhaching auf die Bank verbannt, ist seitdem verletzt. Dusko Djurisic zählte erstmals am 28. August in Cottbus nicht zur ersten Elf und danach nie mehr.
Ihre Plätze haben Jüngere wie Roul Brouwers, Thorsten Becker oder Marc Gouiffe à Goufan eingenommen und diese eindrucksvoll verteidigt. Die Mannschaft steht bei Luhukay über allem. Wenn es ihr hilft, trifft er konsequent und ohne Zögern (für den Außenstehenden manchmal überraschende) Entscheidungen - und lag damit bisher immer richtig.
So in Dresden, als er Youngster Daniel Brinkmann und nicht etwa Radovan Vujanovic oder Hüzeyfe Dogan nach einer Viertelstunde für den verletzten Kapitän René Müller einwechselte. Oder gegen Kickers Offenbach: Da kam Brinkmann in der 26. Minute für Gouiffe à Goufan, in der Pause folgte Dogan für Dennis Schulp. »Zur Halbzeit zweimal gewechselt zu haben, bedeutet, dass man nicht mehr groß reagieren kann. Das traut sich nicht jeder. Das ist schon sehr mutig und bewundernswert«, sagt SCP-Jugendleiter und A-Junioren-Coach Manfred Geppert. Mut, der belohnt wurde: In Dresden erzielte Brinkmann das 0:1, gegen Offenbach drehte er mit Dogan (traf zum 3:1) das Spiel.
Auffällig - wenn auch unbeabsichtigt - bei Luhukays Handlungsweise ist, dass sich Spieler aus den »eigenen Reihen« immer mehr in den Vordergrund spielen. Kaum einer hatte Stephan Maaß und Thorsten Becker Zweitligareife zugetraut. Dazu Brinkmann und Kruse: Macht vier Spieler, die aus der Paderborner Jugend hervorgegangen sind. Mit Oliver Brocke, Adrian Jevric, Edmund Riemer, Sven Krause, Sebastian Lange und Benjamin Braune hat er weitere Eigengewächse im Blickfeld. Rybarczyk ist sicher: »Wenn Sven Krause zuletzt nicht verletzt oder krank gewesen wäre, hätte er bei unserer Vakanz im Angriff schon die eine oder andere Chance bekommen.«
Fakt bei Luhukay ist: War ein erfahrener Spieler verletzt (so wie momentan Guido Spork) oder ist er nicht in Topform, entscheidet sich der Holländer im Zweifel für den Jüngeren. »Unterschwellig war diese Philosophie auch in der jüngsten Vergangenheit da, sie wurde nur nicht umgesetzt«, zieht der Sportliche Leiter Günther Rybarczyk einen Vergleich zwischen Luhukay und dessen Vorgänger Pavel Dotchev und begründet die unterschiedliche Vorgehensweise so: »Wenn ein Trainer bei dem Druck, dem er im Profifußball ausgesetzt ist, so entscheidet, zeugt das von großem Selbstbewusstsein.« Entscheidend sei, den jungen Spielern eine echte Chance zu geben, wenn sie sie verdienen, und ihnen nicht Versprechungen zu machen, die nicht gehalten werden. »Bei Luhukay«, so Rybarczyk, »weiß jeder, woran er ist. Wenn er von einem jungen Spieler überzeugt ist, spielt die fehlende Erfahrung keine Rolle.«
Für Geppert wirft die jüngste Entwicklung eine ganz andere Frage auf: »Wenn junge Spieler so schnell auf dieses Niveau kommen, fällt es mir schwer zu glauben, dass wir in den vergangenen Jahren keine solchen Talente hatten. Vielmehr bin ich der Meinung, dass unsere Eigengewächse oft unterschätzt worden sind.«

Artikel vom 10.10.2005