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Geniale Schlichtheit

Ein Schubert-Abend, der in Erinnerung bleibt


Von Christine Hartlieb
Paderborn (WV). Ein Wechselbad der Stimmungen, Stilebenen und Klangwelten bot das Musica-Sacra-Konzert am Samstag in der Marktkirche: Unter der Leitung von Erwin Ortner musizierten der Arnold Schönberg Chor aus Wien und die Camerata musica sacra Schuberts bekannte Deutsche Messe in der Fassung für Chor und Bläser sowie Kompositionen des zeitgenössischen Komponisten Wolfgang Sauseng. Der Komponist selbst improvisierte an der Orgel über eines der seltenen Werke für dieses Instrument von Franz Schubert.
Das »Schubert-Sauseng-Projekt« mit dem Untertitel »Ich selbst in Zufalls Hand?« kontrastierte die geniale Schlichtheit von Schuberts Messe mit Klängen, die traditionelle Formen und Harmonik sprengten; es stellte den innigen Worten von Schuberts Textdichter Johann Philipp Neumann Texte von Erich Rentrow entgegen, die an Inbrunst Neumann in nichts nachstehen: Hier Gottvertrauen und Frömmigkeit, dort die großen Fragen des modernen Menschen, Zerstörung, Zweifel und Götzendienst.
Virtuos bewältigten alle Musiker die vielfältigen Anforderungen des Abends: Der Arnold Schönberg Chor sang ausgewogen, mit wunderbar warmem und immer entspanntem Timbre. Die strophisch gehaltenen Sätze der Deutschen Messe erhielten dramatische Spannung, ohne in Pathos zu verfallen, und auch im berühmten Herzstück, dem »Heilig« schienen die Klangsteigerungen sich so natürlich, quasi aus sich selbst heraus zu entwickeln, dass es auch dem Zuhörer ans Herz gehen musste. (Beruhigt mag jedoch der Laiensänger im Publikum festgestellt haben, dass auch ein Chor dieses großartigen Formates zuweilen die »T«s nicht ganz gemeinsam abspricht.)
In den »Drei ernsten Gesängen« für Bariton und Bläserensemble bewies der Wiener Sänger Günter Haumer große Souveränität und verstand es durch weiche Stimmgebung, aus der sperrigen Deklamation des Sausengschen Satzes fesselnde musikalische Bögen zu zaubern - wie gerne hätte man ihn auch mit einem Schubert gehört! Das Bläserensemble - in der Messe ergänzt durch Kontrabass und Pauken - begleitete durchweg ebenso einfühlsam wie klangschön und präzise.
Ein Abend, der in Erinnerung bleibt.

Artikel vom 03.10.2005