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Kunst trifft Konstrukteur

Friedhelm Raunest baut nicht nur rollende Staffeleien

Von Monika Schönfeld
(Text und Fotos)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Am Samstag hat sich die Mindener Künstlerin Nirgül Kantar mit ihrem Projekt »Rollende Kunst« auf einen zehnfachen Marathon nach Berlin gemacht. Während ihres täglichen 42-Kilometer-Marsches zieht sie eine rollende Staffelei hinter sich her, auf der sie Portraits engagierter Gesichter und stiller Helden zeigt, die sich für Kinder einsetzen. Die rollende Staffelei hat der Schloß Holte-Stukenbrocker Diplom-Ingenieur Friedhelm Raunest entwickelt, der mit einem Büro für Konstruktionstechnik selbstständig ist.

Nirgül Kantar hatte sich bereits mit einem Bekannten eine Holzstaffelei gebaut. »Die hätte nicht bis nach Berlin ausgehalten«, schmunzelt Friedhelm Raunest (45). »Als Nicht-Techniker sieht manches so einfach aus. Aus den Ideen von Künstlern und Designern muss aber etwas gemacht werden, das seinen Zweck erfüllt, hält und im finanziellen Rahmen bleibt.«
So war an der rollenden Staffelei eine Menge zu beachten. Das sieht man dem Alu-Rohrgestell erst mal nicht an. »Bei der Größe der Bilder bekommt sie Windprobleme. Schon der Fahrtwind eines Lastwagen drückt sie in den Graben«, weiß Raunest. Außerdem sei er verantwortlich dafür, dass die Staffelei nicht umkippt und damit den Verkehr oder die Künstlerin gefährde.
»Die Staffelei sollte leicht sein. Das Gewicht haben wir noch mal unterschritten. Wir mussten uns die Frage stellen, wieviel Gewicht die zierliche Frau verträgt.« Außerdem sollte Nirgül auch mal eine Hand freihaben, um etwas trinken zu können. »Wir wollten ihr keine Bleigurte verpassen.« Modifizierte Griffe und Radstand und ein Gurt ähnlich einer Rikscha sorgen jetzt für Stabilität und Komfort. Aus dem Prototyp eines Bastlers habe er aber viele Erkenntnisse gezogen. »Wir haben davon profitiert.«
Im wirklichen Leben beschäftigt sich Raunest, der seit acht Jahren selbstständig ist, mit Konstruktionen für den Sondermaschinenbau. Angefangen hat er als Ein-Mann-Betrieb, inzwischen beschäftigt er fünf Mitarbeiter und drei ständige Aushilfen. »Wir wachsen nach Mund-zu-Mund-Propaganda. Bei offensiver Werbung müsste ich auf einen Schlag fünf Mitarbeiter einstellen, die ich vielleicht ein halbes Jahr später nicht mehr beschäftigen könnte«, setzt Raunest auf Stabilität und arbeitet deshalb bei Großaufträgen auch mit anderen Konstrukteuren zusammen.
Komplette Anlagen für die Fördertechnik, Druckindustrie und Stanztechnik baut Raunest an der Schloßstraße, die Elektrik kommt vom Nachbarn Echterhoff. »Viele Kunden kommen mit Kleinaufträgen, die von jetzt auf gleich fertig sein müssen - seien es Reparaturen oder Neuanlagen«, muss Raunest flexibel sein. Kunden sind zum Beispiel die Fördertechnik Dortmund, die hochfeuerfeste Erzeugnisse für Gießereien braucht mit Transportrollen, die 2,5 Tonnen Gewicht aushalten.
Friedhelm Raunest baut aber auch Gehäuse für Computertomografen - allerdings nicht für die Medizintechnik, sondern für Kunststoffspritzereien, die ihre Produkte durchleuchten, oder für Bosch, die ihre Lambda-Sonden überprüfen. »Wenn das Gerät im Einsatz ist, werden neue Anforderungen formuliert - so kommt man meist zu einer kompletten Neuentwicklung.«

Artikel vom 05.10.2005