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»Dann mach ich mir 'nen Schlitz ins Kleid«

»Klimbim«-Familie kein bisschen angestaubt - Ausverkauftes Haus


Bünde (öse). »Klimbim ist unser Leben, Klimbim hat montags zu. Klimbim schmeckt nach Vanille und spielt gern Blindekuh«...In der Tat: Mit verbundenen Augen hätte man am Samstagabend teilnehmen können an einer Aufführung, die wohl ziemlich alles bot an wortwitzigen Erfrischungen - vergleichbar mit einem kühlen, sprudelnden Getränk, dessen Genuss mit einem Strohhalm zu empfehlen wäre.
Die Darsteller vor sich zu sehen, das berühmte Klimbim-Flair vergangenen Zeiten zu empfinden, auch das wäre wohl im »blinden« Zustand gelungen. So jedoch war sie brillant, die Dimension an Farben, die - positiv gesehen - echt ins Auge ging. Ebenso dieser Hauch von verruchter Symbolik, dem man sich, wie einst, nicht entziehen konnte.
Ein vollbesetztes Haus bot der Stadtgarten - wie hätte es nach der Ankündigung, dass die Klimbim-Familie hier kurzfristig ihr Domizil aufschlägt, auch anders sein können. Und die Zuschauer waren nach jedem Gag, jedem der Wortspiele, vollends aus dem Häuschen. »Schlückchenweise« und stets treffend kamen die Pointen, das humorige Karussell hielt immer dann, wenn eine neue schlagfertige Idee »zusteigen« wollte.
Die Zöpfe wippen im Wettstreit mit der Haarschleife, die Sommersprossen besitzen Leuchtkraft, ihre Hände jedoch führen gern mal eine Flasche mit geistigem Inhalt zum Mund - als gereifte, eigentlich den Kinderschuhen entwachsene »Gaby von Klimbim« bot Ingrid Steeger ein göttliches Bild. Auf der Hut sein muss sie vor ihrer Mutter, kann sich allerdings nur »kugeln« vor deren Erziehungsmethoden.
»Jolanthe von Scheußlich« - Nomen est omen? Naja, nicht so ganz, wenn man bedenkt, dass in der geballten Abnormalität eine gut aussehende und großartige Schauspielerin steckt. Elisabeth Volkmann gelang es wie eh und je vortrefflich, die antik-verstaubte Operndiva in Szene zu setzen.
Bei Ehmann Adolar haben sich in 30 Jahren Abstinenz vom wirklichen Leben ebenfalls »Staubkörnchen« angesetzt. Horst Jüssen war wieder einmal Meister in der Rolle des distinguierten Gatten. Mit Preußens Gloria zu »flirten«, schauerlich-schöne Kriegsberichte zu zitieren, wem könnte das mehr liegen als Opa Klimbim alias Wichart von Roell?
Was macht es da schon, wenn er Orte aus Sibirien in die Ardennen legt. Oder gar glaubt, ein Kardinal lebe im Reservat (doch eher Zölibat, oder)? Ob Bestattungsunternehmer, Steuerfahnder oder Hausbesitzer, Martin Zuhr als fünftes, sehr talentiertes »Rad« am Klimbimwagen meisterte jeden Part.
Wonnig die Szene, in der er sich als Chef eines Callgirlrings ganz vorn auf der Bühne plazierte, mit Argusaugen ins Publikum starrte, um sich enttäuscht abzuwenden: »Hier gibt's nix zu holen für mich«.
»Wenn Frauen verblühen, verduften die Männer«. Nur eins der vielen frechen Zitate, die aus den Sprüchefenstern kamen - wie Anno 1975, als die Wortspiele in der Klimbim-Familie rankten wie Kletterpflanzen. »Klimbim ist unser Leben und ist es mal nicht wahr - dann mach ich mir 'nen Schlitz ins Kleid und find es wunderbar« - wie sollte diese fulminante, mit Szenenapplaus nur so gespickte Aufführung auch anders enden?

Artikel vom 05.10.2005