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Grab mahnt zu
Verständigung

Freundeskreis besucht Friedhof

Versmold (hj). Einen ungewöhnlichen Schritt wagten am Samstag Morgen Stadt Versmold und der Freundeskreis für die Städtepartnerschaft Dobczyce-Versmold: Eine kleine Abordnung versammelte sich bei strömendem Regen auf dem Versmolder Friedhof.

Grund und Anlass: Dort befindet sich das Grab eines polnischen Zwangsarbeiters, der in den letzten Kriegstagen 1945 ermordet wurde - aus Angst vor Rache. Leon Grzeskowiak, 1914 in Polen geboren, kam 1940 nach Versmold. Er arbeitete hier als Bäcker. Fünf Jahre später wurde er ermordet. »Heute erinnert dieses Grab an die Schrecken des Nationalsozialismus und mahnt zur Verständigung. Wir alle sind dazu aufgerufen. 60 Jahre nach Kriegsende kann es nicht mehr um Schuldzuweisungen gehen, sondern um den nach vorne gerichteten Dialog, ohne die Geschichte zu vergessen«, ermahnte Bürgermeister Thorsten Klute am Grab Grzeskowiaks.
Dobczyce und Versmold hätten sich vor elf Jahren auf den Weg dieses Dialogs und der Zusammenarbeit gemacht. »Die Städtepartnerschaft«, so Klute weiter, »stößt bei den Versmoldern, auf großes Interesse. Wer einmal an einem Austauschprogramm teilgenommen hat, wird an einem Rückfall in die grausame Zeit des Zweiten Weltkriegs wohl kaum mitwirken können. 60 Jahre nach dem sinnlosen Tod des jungen Leon Grzeskowiak ist das eine beruhigende Perspektive.«
Dobczyces Vize-Bürgermeister Pawel Machnicki forderte ebenfalls auf, nach vorne zu schauen. »Als Gast von Bürgermeister Klute habe ich heute beobachtet, wie er seinem Kind Lieder vorgesungen hat«, bemerkte Machnicki. »Singen wir lieber unseren Kindern Heimatlieder vor, als uns mit dem Schrecken unserer Vergangenheit zu befassen.« Auch in Dobczyce gebe es Gräber deutscher Soldaten. Man sei dabei, diese Personen zu erfassen und sie an einem gemeinsamen Ort beizusetzen.
Millionen von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen wurden unter den Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg auf dem Gebiet des Deutschen Reichs eingesetzt, viele unter unmenschlichen Bedingungen. So genannte »Polenerlasse« aus dem Jahre 1940 verboten unter anderem Polen das nächtliche Ausgehen und das Besuchen von Gottesdiensten mit Deutschen. Versmold machte keine Ausnahme. 1200 ausländische Zwangsarbeiter aus 14 Nationen wurden im Nationalsozialismus eingesetzt. Etwa ein Drittel waren Polen.

Artikel vom 03.10.2005