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Das Wort zum Sonntag

 Von Pastor Lutz Wulfestieg, Frotheim


Vergangene Woche Sonntag saß ich mit einem Amtsbruder am Mittagstisch und fragte ihn - im Hinblick auf meine Gedanken, die ich mir machte bezüglich des anstehenden Erntedankfestes: »Feiern Sie auch kommendenSonntag das Erntedankfest im Gottesdienst der Gemeinde?« »Nein«, war die Antwort, »Erst vierzehn Tage später.
Die Ernte ist bei uns noch nicht so weit. Anders als in Deutschland, wo mehr Getreide geerntet wird, ist die Kartoffel-, Runkel- und Maisernte bei uns erst Mitte Oktober zu ende. Und dann feiern wir Erntedank.« »Anders als in Deutschland« - das meint in diesem Fall Rumänien, genauer gesagt Siebenbürgen, jenen deutschstämmig besiedelten Landstrich vor den Karpaten, wo die deutschsprachigen Bewohner zur Evangelischen Kirche Siebenbürgens A.B. (Augsburger Bekenntnis) gehören.
Im Rahmen einer Studienreise dorthin kam es zu meiner Begegnung mit dem Amtsbruder am Mittagstisch. Er erzählte weiter, dass am Erntedank-Sonntag in den evangelischen Gemeinden die Kirchen, und vor allem der Altar, von den Gemeindegliedern mit allen erdenklichen Erntegaben geschmückt werden. Nicht alle betreiben eine richtige Landwirtschaft, aber eine (kleine) Garten-Landwirtschaft haben alle. Jeder hat etwas bei zusteuern. Jeder hat Grund zum Danken - Grund zum Danken für Wachstum und Gedeihen, Erfolg und Segen.
Genau so, wie bei uns, dachte ich. Grund zum Dank an Gott, den Schöpfer. Das Erntedankfest ist das Fest Gottes als des Schöpfers Himmels und der Erde. Im apostolischen Glaubensbekenntnis bekennen wir: »Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde«. Das ist der (sog.) 1. Artikel des Glaubensbekenntnisses. Es redet hier von Gott als Vater und Schöpfer.
Geht es sonst an den Sonntagen und Festen im Kirchenjahr überwiegend um Jesus Christus, den Sohn (2. Artikel), und zu Pfingsten um den Heiligen Geist (3. Artikel), so an Erntedank einmal im (Kirchen-) Jahr um den Schöpfer. Gott hat diese Erde, auf der wir leben und die so schön ist, geschaffen. Sie ist uns geliehen und anvertraut, das wir sie bebauen, sie uns untertan machen und sie bewahren.
Damit ist uns vom Schöpfer aufgetragen, eine Balance auszuhalten beziehungsweise herzustellen und anzustreben. Das gelingt jedoch nicht immer und überall. Darum ist auf dieser Erde manches nicht mehr in der Balance, das heißt, es ist aus dem Lot geraten - siehe Wetterkapriolen und anderes mehr. Hier haben wir als Menschen eine große Verantwortung; eine Verantwortung, die wir nicht auf Gott abschieben können.
Was wir aber auf Gott »abschieben« können und sollen, ist der Dank, der Dank für die Ernte, ein mal im Jahr an Erntedank im Gottesdienst der christlichen Gemeinde, am Sonntag nach Michaelis (29.9.). Gott »Danke« sagen heißt, dass neben all unserem menschlichen Können und Fleiß, neben aller Technik und Qualität, neben Planung und finanzieller Absicherung durch Versicherungen - was wir nicht feiern an Erntedank, wir feiern nicht uns selber -, wieder erkennbar wird, wie es Lied des Gesangbuches heißt: »Alles ist an Gottes Segen und an seiner Gnad gelegen«(eg 352).
Stimmen Sie und ich darum auch am diesjährigen Erntedanksonntag wieder ein in den Dank an Gott durch das Bekenntnis des christlichen Glaubens, und da besonders des 1. Artikels. Zur Vertiefung dessen, was damit gesagt wird, verweise ich auf Luthers Erklärung im Kleinen Katechismus, zu finden im Gesangbuch (eg) unter der Nummer 855.2 auf Seite 1316.
Dieser Text wird im Erntedank-Gottesdienst meiner Gemeinde zu seinem Recht kommen - und ich hoffe, auch bei Ihnen.

Artikel vom 01.10.2005