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Die Kolumne Stadtgespräch erscheint mittwochs in dieser Zeitung.

Stadt
Gespräch

40 Jahre am »Katzentisch« (140. Folge):Dombauhütte der jungen Leute


Beim traditionellen Libori-Empfang am 24. Juli dieses Jahres im Collegium Leonium begrüßte Erzbischof Hans Josef Becker einige ältere Herren besonders: Sie waren vor 60 Jahren Gründer und Mitglieder der Paderborner Dombauhütte. Der Erzbischof dankte: »Ihr großartiges Engagement für unsere Kathedralkirche stellt symbolisch unter Beweis, welche enormen Kräfte nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges aufgebracht wurden, um dem Leben nicht nur eine neue materielle, sondern auch fundierte geistliche Orientierung zu geben.«
Besonders während der Tage des Liborifestes wurde eine südliche Seitenkapelle des Domes oft aufgesucht. Paderborner und Gäste konnten sich dort über Ziele und Erfolge der früheren Dombauhütte überzeugen. Diese Einrichtung bestand bis 1949.
Weihbischof Dompropst Hans Leo Drewes: »Das Unternehmen Dombauhütte 1945 darf als eine frühe Bestellung des Friedensfeldes gewertet werden. Jungen Menschen erwachen aus der Trostlosigkeit des Kriegsendes und erblicken im Wiederaufbau des zerstörten Domes ein Zeichen der Hoffnung und der Wegweisung in die Zukunft.«
Der Gedanke, in Paderborn eine Dombauhütte zu gründen, kam schon im Juni 1945. Der 31-jährige Architekt Ludger Kösters aus dem Münsterland traf bei einem Paderborn-Besuch Dompropst Dr. Paul Simon. Im Gespräch stellten beide fest, der Wiederaufbau des durch Bomben und Luftminen zerstörten Domes könne unterstützt werden durch aus dem Krieg heimgekehrte junge Männer und Jugendliche.
Start war dann am 1. Oktober 1945. 26 Lehrlinge zwischen 13 und 19 wurden eingestellt. Sie erhielten bei freier Verpflegung und Unterkunft im Monat sechs Reichsmark. Erste Ausbilder waren: Heinrich Bockhorn, Paderborn. Konrad Rammert, Wewer und Anton Blecke, Belecke, der spätere Kreishandwerksmeister.
Die jungen Leute der Dombauhütte - unter ihnen mehrere Gymnasiasten, die erst ab dem Frühjahr 1946 wieder Unterricht hatten - wohnten in feuchten Kellerräumen des Knabenseminares, 1612 als Kloster von Ka-puzinern erbaut, die Kirche als Stiftung von Fürstbischof Ferdinand von Fürstenberg. Toiletten und Waschräume waren draußen. Manche »Stifte« waren zur Dombauhütte gekommen, weil sie dort eine bessere Verpflegung als zuhause erhofften. Dafür sorgten vier Franziskanerinnen aus Olpe. Es lockte auch die Aussicht auf angesichts der stadtweiten Trümmer zukunftsichere Berufe: Maurer, Zimmerer, Steinmetz, Schreiner, Schmied oder Schlosse.
Die Arbeitsstelle war der zerstörte Dom. Frühmorgens führte der Weg durchs Domgässchen und über den Kleinen Domplatz an der alten Linde und der Gaststätte Lönnig vorbei zur Kathedrale ohne Dach und Turmspitze. Unten musste Schutt geschüppt werden, weiter oben wurde brüchiges Gewölbe abgestützt. Das war nicht ungefährlich. Erste Gerüste wurden gebaut, schmale Bretter konnten zu tödlichen Kippen und Wippen werden. Besonders schwer fiel es den Lehrlingen, Zentner-Zementsäcke zu schultern und über weite Strecke zu transportieren.
Zweimal in der Woche gab es eine abendliche Gruppenstunde im Keller des warmen Generalvikariates mit dem damaligen Domvikar Johannes Schmitdinger. Der erläuterte ihnen oft die Verbindung zwischen Le Mans und Paderborn. Vom »Liebesbund ewiger Bruderschaft« mit der Stadt in Frankreich und Heimat des heiligen Liborius erzählte er. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg hätten Deutsche in Le Mans und Franzosen in Paderborn Zuflucht gefunden.
Von den 26 ersten Lehrlingen hielten 16 durch. Am 1. April 1949 wurde die Dombauhütte aufgelöst. Die Kreishandwerkerschaft hatte schon 1947 in dieser kirchlichen Einrichtung eine Konkurrenz gesehen, konnte aber deren Aufgaben aber erst später übernehmen. Georg Vockel

Artikel vom 28.09.2005