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Der Reiz technischer Schlichtheit

Günter May sammelt historische Fotoapparate - Damen-Kamera als Rarität

Von Peter Bollig
Gütersloh (WB). Seine erste Kamera hatte Günter May aus Gütersloh eher stiefmütterlich behandelt. Als Buchstütze diente die Voigtländer, die er als 20-Jähriger von seinem Großvater bekommen hatte. Aber irgendwann hat sie ihn doch auf den Geschmack gebracht und wurde das erste Stück einer Sammlung historischer Fotoapparate.

Die Voigtländer kam ihm als Einzelstück im Regal etwas verloren vor, und so machte sich Günter May auf die Suche nach einer zweiten Kamera. Heute füllen alte Fotoapparate mehrere Vitrinenschränke des 51-Jährigen. »Gut 160 Stück« zählt der Druckvorlagenhersteller inzwischen. In seiner Sammlung vertreten sind so ziemlich alle Typen, Filmformate und Marken, die Kameras stammen aus den frühen Tagen der Fotografie bis in die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts.
Während die modernen Kameras vollgestopft sind mit Elektronik und der Fotograf sich heute um Belichtungszeit und Blende kaum noch Gedanken machen muss, ist es gerade die technische Schlichtheit, die für Günter May den besonderen Reiz der alten Kameras ausmacht. Zu bedienen gab es dort oft nur den Auslöser, über eine verstellbare Blende oder die Möglichkeit der Schärfeneinstellung am Objektiv verfügten diese Kameras vielfach nicht. Um so mehr kam es auf die Erfahrung des Fotografen und das Gespür für die richtigen Lichtverhältnisse an.
Und mit dem Interesse an den historischen Kameras wuchs bei May auch das Interesse an der Fotografie. Landschaften, Sportszenen und Blumen hat er mit den alten Schätzchen fotografiert, gerne auch in Schwarz-Weiß, »weil es einfach besser zu den alten Kameras passt«.
Teuer sei sein Hobby eigentlich nicht, sagt Günter May, denn er habe oft echte Schnäppchen machen können. Auf Flohmärkten etwa oder weil jemand eine alte Kamera einfach nur - kostenlos - in gute Hände geben wollte. Viele seiner Sammlerstücke hätten in der Zwischenzeit allerdings deutlich an Wert gewonnen. Wie hoch er diesen Wert schätzt, darüber schweigt der Sammler, für den feststeht: »Verkaufen werde ich keines der Stücke«. Zu sehr hänge sein Herz an den Fotoapparaten.
In seiner Sammlung hat der 51-Jährige auch einige Raritäten. Zum Beispiel eine extra für weibliche Käufer entwickelte Kamera von Kodak, die »Brownie« von 1957, die in beiges und braunes Leder gefasst ist und mit ihrem Tragegriff ein bisschen an eine Handtasche erinnert. Eine Rarität ist auch die Kodak-Spreizkamera, bei der sich das Objektiv an einem Balgen herausfahren lässt und die Konstruktion von einem Metallgestell gehalten wird. Mays ältestes Kamera ist eine Holzplattenkamera, die um 1888 hergestellt wurde. Die Kamera besteht aus einem Holzkasten, belichtet wurden kleine Glasplatten. Eine technische Spielerei ist die Stereokamera mit zwei Objektiven, mit der jeweils zwei Fotos gleichzeitig aufgenommen werden. Nach der Entwicklung kann das Doppelbild mit beiden Augen durch einen Betrachter angesehen werden, und wie durch ein Fernglas ist dann ein einziges Bild zu sehen.
Vollständig ist die Sammlung des 51-Jährigen allerdings noch nicht. Noch immer besucht er Flohmärkte, antwortet auf Zeitungsinserate oder stöbert in Fotogeschäften durch die Auslage gebrauchter Kameras. Was er besonders sucht sind alte Geheimkameras, getarnt als Zigarettenschachteln oder Krawattennadeln oder eingebaut in die Griffe von Spazierstöcken. Aus Katalogen kennt er diese technischen Besonderheiten und hofft, eine davon irgendwo mal zu finden.
Mays Begeisterung für alten Schätzchen und ihre einfache Technik ist groß. Wenn's um eigene Urlaubsbilder geht, genießt aber auch der Sammler den technischen Fortschritt. Dann schnappt er sich eine moderne Digital-Kamera und ist froh, nicht den mühsamen Weg vom Fotografieren bis zum Abzug aus dem Labor gehen zu müssen, um das Resultat erstmals zu sehen. Denn das Ergebnis beim Fotografieren mit den alten Kameras ist stets ungewiss. »Man ist oft überrascht, was man eigentlich fotografiert hat«, und es stehe immer die Frage im Raum, so Günter May, »ob das Foto auch etwas geworden ist«.

Artikel vom 24.09.2005