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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Gernot Bock (Südlengern)


Das Jahr 2005 ist ein Jahr, das für uns in Deutschland reich ist an Gedenktagen. Im April und Anfang Mai erinnerten wir uns an das Ende des 2. Weltkriegs vor 60 Jahren. Am 9. Mai jährte sich der Todestag von Friedrich Schiller zum zweihundersten Mal. Vor fünfzig Jahren, am 18. April, verstarb Albert Einstein und ebenfalls vor 50 Jahren, am 12. August, war der Todestag von Thomas Mann. Die Reihe dieser Erinnerungstage ließe sich gewiss fortsetzen. Ein Ereignis tritt dabei ein wenig in der Hintergrund: Vor jetzt 450 Jahren, am 25. September 1555, kam es zum Augsburger Religionsfrieden. Die jahrelangen, auch kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den protestantischen und den römisch-katholischen Reichsständen kamen zu einem friedlichen Ende. Und dieser Friede hielt immerhin fast 70 Jahre bis zum Beginn des dreißigjährigen Krieges.
Die evangelische und die katholische Kirche in Deutschland werden an dies Ereignis am morgigen Sonntag in einem ökumenischen Gottesdienst erinnern. Die beiden leitenden Repräsentaten der jeweiligen Kirche, Karl Kardinal Lehmann und Bischof Wolfgang Huber, werden diesen Gottesdienst gemeinsam mit der Gemeinde feiern. Das ist ein gutes Zeichen, wo es doch oft genug den Anschein hat, als träten die ökumenischen Bemühungen auf der Stelle. Da leuchtet es ein, wenn jede Gelegenheit genutzt wird, um auf dem Weg zur Einheit einen Schritt weiterzukommen.
Wie schwierig sich diese Schritte gestalten können, haben wir gerade wieder in der letzten Woche hören und lesen können: Das Projekt der sogenannten Einheitsübersetzung, der „ökumenischen“ Übersetzung, findet keine Fortsetzung, da sich katholische und evangelische Kirche nicht auf eine gemeinsame Vorgehensweise einigen konnten. Die katholische Seite beharrt auf ihrem Prinzip, dass auch die kirchliche Tradition beim Übersetzen ein gewichtiges Wort mitzusprechen hat; die protestantische Seite verweist darauf, dass allein die Schrift („sola scriptura“), also das biblische Wort und nur das biblische Wort Maßstab für eine Übersetzung sein kann. So schwierig ist es noch, sich in einfachen und doch so fundamentalen Fragen zu einigen; allerdings. das wissen wir auch: Das ist nicht nur zwischen den Konfessionen so.
Wie also wird es mit der Ökumene weitergehen? Wir können dafür dankbar sein, dass die verschiedenen Konfessionen sich nicht mehr voller Abneigung gegenüberstehen, so wie es noch vor 70, 80 Jahren der Fall gewesen sein soll. Sondern im Gegenteil: Das Gespräch wird gesucht. Und das muss auch die zukünftige Aufgabe sein: Zwischen den Konfessionen darf das Gespräch nicht abreißen. Das gilt nicht nur für das Gespräch zwischen den beiden großen Kirchen, sondern das Miteinander im Gespräch ist wichtig und nötig auch gegenüber den »kleineren« Kirchen. So gesehen ist es sicherlich sinnvoll, an den Religionsfrieden von 1555 in Augsburg zu erinnern. Wir müssen sehen lernen: Die Gemeinsamkeiten in der Christenheit sind größer als die Unterschiede. Das gilt es immer wieder zu entdecken.

Artikel vom 24.09.2005