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Es ist nichts mehr, wie es vorher war

Pfarrer Dieter Maletz hält Predigt beim Dank- und Bittgottesdienst in der Nikolaikirche

Von Frank Spiegel
Höxter (WB). »Dieser Gottesdienst ist das Anerkenntnis, dass wir das Chaos, in das uns Streit, Hass und menschliche Schuld gestürzt haben ohne Gottes Hilfe nicht in Ordnung bringen können« -ÊPastor Frank Grunze fand passende einführende Worte in den Dank- und Bittgottesdienst in der Nikolaikirche. Hunderte waren gekommen, um der Toten und der anderen von der Explosion heute vor einer Woche Betroffenen zu gedenken und für sie zu beten (das WESTFALEN-BLATT berichtete am Samstag).

Die Predigt hielt der evangelische Pfarrer Dieter Maletz. Er machte deutlich, dass er das Feiern des Huxori-Festes für falsch halte angesichts von Angst und Schrecken, die über die Stadt gekommen seien: »Vielleicht hätte man es auf den Kinderflohmarkt beschränken sollen.«
Immer wieder würden zur Zeit die gleichen Geschichte erzählt wie »Wäre ich ein paar Minuten später mit dem Auto losgefahren . . . «. Sie alle hätten eins gemeinsam: die Botschaft: »Ich bin davongekommen . . . «. So werde den Menschen bewusst, dass es nur ein Augenblick war, der sie vor dem Schrecken, vor der Verletzung, vielleicht gar vor dem Tod bewahrt habe. »Von einem Augenblick auf den anderen ist nichts mehr so, wie es vorher war«, so Pfarrer Maletz. Es werde das Bewusstsein wach, dass der plötzliche Tod, das Unglück nicht immer in der Ferne stattfinde, nicht in New York, London oder Bagdad, sondern auch in Höxter. Es sei viel von Schutzengeln die Rede gewesen in den vergangenen Tagen. Der Geistliche: »Das zeigt doch, dass wir angewiesen sind auf die Güte und Barmherzigkeit Gottes, auf eine größere Kraft, auf Gott.«
Diese Katastrophe sei einmalig für Höxter. Zu Gasunglücken könne es immer kommen. Doch Günther Hartmann habe bewusst und gezielt sein Haus mit Benzin angefüllt, die Gasleitung geöffnet, die Explosion herbeigeführt und so in Kauf genommen, dass Menschen zu Tode kommen. Die Berichte von Menschen, die Günther Hartmann kannten und die Briefe, die er geschrieben habe, um seine Tat zu rechtfertigen zeichneten das Bild eines Menschen, der zutiefst einsam sei, krank in seiner Seele und von der Idee besessen, selbst Unrecht zu erleiden -Êund entschlossen zum Äußersten. »Der Montagmorgen ist der grauenvolle Schlusspunkt einer Geschichte, einer Lebensgeschichte«, sagte Pfarrer Dieter Maletz. Viele Menschen hätten Günther Hartmann gekannt. »Hätte es da einen Punkt geben müssen, wo man eingreift?«, fragte der Pfarrer: »Und wer hätte dieser ÝmanÜ sein sollen? Die Polizei? Nachbarn? Die, die ihn kannten?« Es sei nicht verboten voller Hass und in einer verdrehten Welt zu leben, es sei auch nicht verboten, seine Kontakte mit den Mitmenschen auf ein Minimum zu beschränken, es sei nicht verboten, verdrehte Gedanken in einer verdrehten Welt zu produzieren: »Und wer konnte ahnen, welcher Vernichtungswille da wirkt.« All das schmälere nicht die Verantwortung Günther Hartmanns für diese Tat: »Gott sei seiner Seele gnädig.«
»Wir brauchen Gewissheit, weil ein solches Ereignis große Verunsicherung und ein Gefühl von Unfassbarkeit auslöst. Wir brauchen einen festen Grund, wenn erschüttert wird, was uns so lange so fest schien. Wir brauchen Stärke, wenn wir ohnmächtig dem Irrsinn ausgeliefert sind«, sagte der Geistliche. Gewissheit, ein fester Grund und Stärke, das sei es, was der Glaube biete, was Jesus Christus schicke: »Und deshalb sind wir heute Abend hier versammelt.«
Ein Grund sei auch, dass man zu danken habe, zu danken dafür, dass nicht noch mehr passiert sei, für die Solidarität und Hilfsbereitschaft, für die Menschen, die anpackten und halfen.

Artikel vom 26.09.2005