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Eine Kehrmaschine
für zwei Städte

Spieker und Haase formulieren Sparvorschläge

Von Michael Robrecht
Kreis Höxter (WB). Der veränderte Altersaufbau und der zahlenmäßige Rückgang der Bevölkerung sowie weiter sinkende Steuereinnahmen werden in den zehn Städten im Kreis Höxter in den kommenden Jahren zu bisher nicht gekannten Kooperationen führen. Was da unter dem etwas sperrigen bürokratischen Begriff »Interkommunale Zusammenarbeit« zunächst theoretisch daher kommt, kann für die dramatisch leeren Stadtkassen sehr entlastende Auswirkungen haben.

Wie die Städte Geld sparen können und welche neuen Formen der Kooperation Sinn machen, darüber haben sich Brakels Bürgermeister Friedhelm Spieker als Sprecher der Bürgermeisterkonferenz und sein Stellvertreter, der Beverunger Bürgermeister Christian Haase, exklusiv in einem Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT Gedanken gemacht. »Wir werden mit Blick auf die schlechte finanzielle Lage mit dem Bürger lieb gewordene Gewohnheiten aus den 70er und 80er Jahren diskutieren müssen und über Ansprüche reden, die von den Städten heute nicht mehr zu erfüllen sind«, sagen die beiden Stadtoberhäupter im Vorfeld der anstehenden Haushaltsplanberatungen.
Erste Sparmaßnahmen seien in Angriff genommen worden. »So die gemeinsame Gebäudebewirtschaftung durch die GBS, die für Brakel von Vorteil ist«, so Spieker. Bad Driburg und Brakel hätten sich zu dieser zentralen Verwaltung entschlossen, andere Gemeinden wie Beverungen denken, sagt Christian Haase, darüber nach.
Fraglich ist für die Bürgermeister auch, ob jede Stadt zukünftig Gartenabteilungen beschäftigen muss. »Was brauchen wir Grünpfleger, wenn es Betriebe gibt, die Rasen mähen«, sagt Spieker.
Der Brakeler sieht es - wie Haase - als besondere Aufgabe der Stadtspitzen, neue Ideen der kommunalen Zusammenarbeit zu entwickeln. Warum nicht einen Maschinenpool für Nachbarstädte bilden? »Es muss nicht jeder die gleiche teure Großmaschine in der Garage stehen haben«, erklärt Spieker. Sinnvoll sei es auch, Geräte auszuleihen: »Brakel und Bad Driburg teilen sich eine Kehrmaschine!« In zwei Städten sei die Maschine besser ausgelastet.
Lohnende Effekte gibt es auch im Beschaffungswesen. »Jede Löschgruppe ist gut ausgestattet, aber diese Kleinteiligkeit der vielen kleinen Feuerwehren bindet oft Geld für größere Käufe«, hat Christian Haase herausgefunden. Wie Friedhelm Spieker erläutert, hat der Städte- und Gemeindebund eine Beschaffungsstelle eingerichtet, wo Städte beispielsweise Löschfahrzeuge gemeinsam ordern, um an Rabatte bei den Herstellern zu kommen. Denkbar sei auch, dass sich Gemeinden neue Feuerwehrfahrzeuge teilen. »Wir müssen in Zukunft mit weniger Geldern weiter eine optimale Ausstattung erreichen«, so das Ziel der Bürgermeister.
Immer wieder bei Einsparungen im Gespräch sind in den Städten die Sparten Musikschule und Volkshochschule, wobei nach Aussagen von Spieker und Haase eine Kreiskooperation unter den Volkshochschulen nicht realisierbar ist, weil die drei Zweckverbände eigenständig bleiben wollen. Bessere Spareffekte erzielen Kommunen im Abwasserbereich. Wenn Abwässer aus Gehrden in das Driburger Stadtgebiet nach Herste gepumpt werden, dann ist das um ein Vielfaches preisgünstiger als ein Kläranlagenneubau in der Großgemeinde Brakel.
Mit Blick auf den Bevölkerungsrückgang und die Überalterung erwarten die Bürgermeister aus Brakel und Beverungen in Kürze Umstrukturierungen in Kindergärten und Grundschulen. Nach Überzeugung der Stadtoberhäupter wird es zur Schließung von einzelnen Gruppen oder ganzen Kindergärten kommen. Und wenn Spieker und Haase die Halbierung der Zahlen der zukünftigen Erstklässler in manchen Dorfschulen sehen, »dann werden hier bald Schulstandorte zur Disposition stehen«.
Beim Thema Bürgernähe wollen Christian Haase und Friedhelm Spieker den Standard halten: »Wo wir am Bürger arbeiten, müssen wir die Angebote vor Ort belassen!« Gut zusammenarbeiten und sparen können Stadtverwaltungen in Bereichen wie der EDV. »Wir können jedoch keine der zehn Städte auflösen, die Bürger brauchen die Nähe des Angebotes einer Kommunalverwaltung«, formulieren sie ihr Credo. Sinnvoll könne es vielmehr sein, dass der Kreis Höxter - wie beim Müll - auch in anderen Feldern die Federführung übernehme. »Die Zusammenarbeit von acht Städten hat beim Müll Erfolg gebracht«, sagt Bürgermeister Haase. Bei der nächsten Ausschreibung könne man bei größeren Mengen andere Konditionen bekommen und damit die Gebühren niedrig halten, meint Spieker. »Kooperation darf nicht mit Erbsenzählerei enden«, so sein Appell. Spieker sieht noch viel Potenzial in der »interkommunalen Zusammenarbeit«.
Zu viel Kirchturmdenken beklagen Haase und Spieker bei der Vermarktung des Tourismus. »Für Touristen sind die Grenzen, die manche Städte im Kreis ziehen, nicht da. Dem müssen wir stärker gerecht werden«, weisen sie auf den misslichen Umstand hin, dass zeitweise mit 130 Prospekten für Ziele zwischen Egge und Weser geworben worden sei.
Die neue Kulturland-Initiative sei nach dem Scheitern der »Poetischen Landschaft« ein erster richtiger Schritt. »Gut sind auch themenbezogene, breit wirkende Tourismuskonzepte wie die Holztage oder der Käsemarkt in Nieheim«, erklärt Brakels Bürgermeister.
Jede Stadt soll - nicht nur wegen des enormen Drucks der Finanzen - für sich Wege der Zusammenarbeit ausloten. »Wenn wir Hierarchieabbau bei Landschaftsverbänden und dem RP fordern, dann dürfen wir ehrlicherweise bei uns in den Kommunen beim Sparen nicht aufhören«, sagt Friedhelm Spieker. Mit Ratsverkleinerungen und dem Personalabbau hätten viele Kommunen schon begonnen.
Das Thema »Demographischer Wandel« müsse endlich stärker auf die Städte »heruntergebrochen« werden, wobei Friedhelm Spieker ein »beschämend geringes Interesse« - so bei der Vorstellung der Brakeler Zukunftszahlen - festgestellt hat. Gewisse Leistungen, die bisher die Stadt übernommen habe, könnten nach Überzeugung der Bürgermeister nicht mehr in dem gewohnten Umfang geleistet werden: »Und mit Blick darauf ist eine engagierte Rentnergruppe wie in Lütmarsen, die ehrenamtlich kleinere Baumaßnahmen im Ort übernimmt, ein schönes Beispiel.«

Artikel vom 01.10.2005