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Wenn Steine fragend wirken

Bildhauersymposium am Bahnhof: Findlinge nehmen neue Formen an

Von Delia Hüsken
Espelkamp (WB). Mitten in der »jungen Stadt im Grünen« werden in wenigen Wochen Skulpturen zu sehen sein, die zurzeit in schweißtreibender Arbeit während des Rudolf-Weber-Symposiums auf dem Bahnhofsgelände gefertigt werden. Aus bis zu fünf Tonnen schweren Eiszeitfindlingen entstehen durch die Fantasie und das Geschick der vier Künstler Dorsten Diekmann, Yoshimi Hashimoto, Joachim Karbe und Ton Kalle die verschiedensten Figuren, Formen und Naturgestalten.

Die Bildhauer verbringen bis zu zwölf Stunden pro Tag auf dem Bahnhofsgelände. Dort leben sie, nur unterbrochen vor kurzen Pausen, ihre Fantasie zum Thema »Paare und Passanten« aus, angelehnt an den Roman von Botho Strauß. Ihre Steine haben sie, anders als im vergangenen Jahr, selbst ausgesucht. »Denn die Idee, was wir aus den Steinen schaffen, kommt meistens schon beim ersten Anblick«, erklärt Dorsten Diekmann aus Lemgo.
So war es auch bei Ton Kalle aus Amsterdam, der mit seinem Werk Parfümflakons sowie abstrakt gebildete Köpfe mit Ohren darstellen möchte. Er wolle die Vorbeigehenden neugierig machen. »Im Kopf des Passanten muss beim Anblick der Gedanke entstehen, dass es wirklich riecht.« Die Ohren sollten fragend wirken, als ob sie hören wollten, was der Betrachter sage.
Etwas ganz anderes hat sich Achim Karbe aus Angermünde überlegt. Er spricht mit seinem Werk besonders den Aspekt »Paare« an. Es soll, wenn es fertig ist, den Eindruck eines tanzenden Tangopaares vermitteln. Dazu hat der Steinbildhauer seinen Findling in zwei Hälften geteilt, die folglich ein Paar ergeben, und die Oberfläche wellenförmig gestaltet. »Die Wellen sollen eine Gegenbewegung darstellen«, verdeutlicht Karbe. Sein Werk solle aber auch dazu einladen, es anzufassen, die Oberfläche mit den Händen zu greifen und die Wärme oder Kälte des Steins zu spüren. So würde eine Kommunikation zwischen Betrachter und Stein entstehen.
Die abstrakte Kunst bedient der Künstler Dorsten Diekmann. Er schafft keine konkrete Figur, vielmehr soll durch die geschwungene Form des Findlings die Statik aufgebrochen werden, so dass der Eindruck entsteht, der Granitbrocken drehe sich um sich selbst. Der Passant, der den Findling betrachte, solle mit diesem ein Paar bilden, mit ihm eine Beziehung eingehen. Diekmann betont: »Es ist besonders wichtig, mit dem Stein zu arbeiten, nicht dagegen.«
Nichts im ursprünglichen Sinn Greifbares gestaltet der Japaner Yoshimi Hashimoto. Bei seiner Wolkenlandschaft aus Stein, Zement und Eisenstangen legt er vor allem Wert auf die natürliche Belassenheit des Brockens.
»Abgesehen von der Arbeit ist vor allem auch das Umfeld, in dem man arbeitet, sehr wichtig«, erklärt Diekmann. Und das gefalle ihm und den Kollegen in Espelkamp sehr gut. Auf dem Bahnhofsgelände sei ausreichend Platz zum Arbeiten. Erfreut zeigte er sich auch über die Resonanz der Besucher, die den Künstlern beim Schaffen über die Schulter schauen. Leider hätten sie selbst bis jetzt noch keine Zeit gehabt, sich in Espelkamp umzuschauen. »Aber dieses Wochenende ist ja Cityfest«, sagt Dieckmann mit einem Lächeln. Denn auch Künstler brauchen halt von Zeit zu Zeit ihre wohlverdienten Pausen.

Artikel vom 22.09.2005