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Gefahrvolle Diplomatie

Prof. Rüthing erforschte Lebensweg von Bruder Göbel

Von Andrea Pistorius
Wewelsburg (WV). Klostervogt zu sein, war im ausgehenden Mittelalter keine leichte Aufgabe. Davon erzählen die Aufzeichnungen des Laienbruders Göbel aus dem Kloster Böddeken, die Prof. Dr. Heinrich Rüthing herausgegeben hat.

Der in der Region wohlbekannte Mittelalterexperte, der viele Jahre an der Universität Bielefeld gelehrt und geforscht hat, war 1976 zufällig auf die Notizen von Bruder Göbel gestoßen. Sie haben ihn seitdem nicht mehr losgelassen. Im Ruhestand fand er die Zeit, sich mit den detaillierten Beschreibungen des Klosteralltags zu befassen. In einem Vortrag im Kreismuseum in der Wewelsburg stellte Professor Rüthing sein Werk vor, das auch Einblicke in die überregionale Geschichte gewährt.
Bruder Göbel (um 1468-1543) trat 1501 in das Augustiner Chorherren-Kloster ein, das seinerzeit das größte im Reich war. Er war einer von 150 Laien, die im Konvent und auf dessen Gütern arbeiteten. Schon bald wurde er zum Vogt ernannt und musste Sonderaufgaben erfüllen: er leitete die Verwaltung, reiste als Diplomat bis nach Rom, brachte säumige Steuerzahler zur Vernunft und nahm die Chorherren ins Gebet, wenn sie sich unziemlich verhielten. Die vielfältigen Aufgaben brachten Bruder Göbel oft an die Grenzen seiner Kraft und manchmal in akute Lebensgefahr. Er geriet auf Reisen unter Räuber, musste erleben, dass feindliche Söldner Kloster-Güter überfielen und niederbrannten, und sah sich einem zornigen Bauern und Steuerschuldner gegenüber, der ihn mit der Axt vom Hof vertreiben wollte.
Alle diese Ereignisse teilte Bruder Göbel seiner Chronik mit oder besprach sie in einem anrührenden Dialog mit seinem Gott. Niemals verzweifelte er an seinem schweren Schicksal, sondern richtete seine Zuversicht stets auf seinen himmlischen Herrn. Dabei sorgte sich der Laienbruders nicht nur um den Fortbestand des Klosters, sondern auch um den Erhalt des von Kriegen heimgesuchten christlichen Abendlands.
Heinrich Rüthing (Hg): Die Chronik Bruder Göbels. Aufzeichnungen eines Laienbruders aus dem Kloster Böddeken 1502 bis 1543, gebunden, 544 Seiten, 49 Euro, ISBN 3-89534-567-9

Artikel vom 21.09.2005