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Das Wort zum Sonntag

 Von Pastor Werner Milstein, Rahden


Die Rituale sind alt, aber sie werden bei jedem Wahlkampf wiederholt. Die Parteien werfen sich gegenseitig vor, unsozial zu sein. Sie rechnen einander vor, dass sich das Konzept des anderen nicht rechnet. Und nicht zuletzt, jede Partei weiß, was der Bürger, was die Bürgerin wirklich denkt und was für sie gut ist.
Denen aber schwirren vor Zahlen und Unterstellungen der Kopf. Wem sollen sie glauben? Politik ist ein raues und schwieriges Geschäft, allerdings kein schmutziges. Das Image der Politiker hat gelitten, ihr Ansehen hat einen Tiefstand erreicht. In der Skala sind sie mittlerweile ganz unten angelangt. Einige haben dazu auch beigetragen, aber das gilt nicht für alle Politiker und Politikerinnen. Wir wehren uns mit Recht gegen Verallgemeinerungen und dasselbe Recht haben auch sie. Außerdem ist es auch gefährlich, so zu reden. Wer ist dann noch bereit, in unserem Land Verantwortung zu übernehmen?
Wie müssen diese Parolen auf die Jüngeren wirken? Welche Zukunft kann unser Staat dann haben? Wir brauchen mutige, umsichtige und entschlossene Männer und Frauen in der Politik, und zwar in allen Parteien. Wir brauchen kritische und mündige Bürger, die nachfragen, die nachhaken, die sich engagieren. Die Weimarer Republik ist letztlich nicht an der hohen Arbeitslosigkeit gescheitert, sondern daran, dass zu wenige Menschen im Deutschen Reich wirklich die Demokratie wollten. Die Arbeitslosigkeit und der Versailler Vertrag taten dann das Ihrige, um die junge Republik zu Fall zu bringen. Unsere Demokratie ist eine der großen Errungenschaft unserer Gesellschaft. Sie sichert uns die Freiheit. Sie ist auch der Garant für den Frieden. Sie ist kein Geschenk Gottes, dafür haben Menschen gestritten und gekämpft. Vergessen wir es nicht, einige haben dafür auch ihr Leben geopfert.
Im Alten Orient hoffte man auf die Weisheit des Regenten. Salomo galt da als Vorbild. Seine Weisheit, mit der er den Staat lenkte, wurde geradezu sprichwörtlich. Im Alten Testament gilt der Glaube als Anfang und die Wurzel der Weisheit. Wer Gott vertraut, wer auf ihn hofft und baut, der ist auch in der Lage, die Dinge des Lebens und der Welt zu regeln. Mancher Politiker und manche Politikerin sollte sich bisweilen daran erinnern. Der Mensch ist nicht das Maß aller Dinge. Wir haben eine Verantwortung, die geht darüber hinaus, die reicht über eine Legislaturperiode und auch über eine Generation hinaus, die umfasst die gesamte Schöpfung. Wir brauchen für unser Reden und Handeln diese Verankerung in Gott. Manche geben sie - in allen Parteien - leichtfertig auf. Aber dann fehlt es an Tiefe und auch an Weisheit. »Die Furcht des Herrn ist die Schule der Weisheit.« (Sprüche 15,33) Das Losungswort für den kommenden Sonntag ist ein weiser Rat, hoffentlich macht er Schule.

Artikel vom 17.09.2005