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Drogen: Piumerin bleibt Haft erspart

»Skandalös mildes Urteil« nach Bundesgerichtshof-Vorgabe noch milder

Borgholzhausen/Bielefeld (uko). Dank der Intervention des Bundesgerichtshofes bleibt einer gebürtigen Usbekin aus Borgholzhausen eine Haftstrafe erspart. Die 30-jährige Frau kam trotz der Verstrickung in einen schwunghaften Heroinhandel mit einer Bewährungsstrafe vor dem Landgericht Bielefeld davon.

Seit Jahren beherrschen in Ostwestfalen Banden von Litauern den Drogenmarkt. Diese Erkenntnis setzte vor allem die Bielefelder Staatsanwaltschaft in eine Serie von Anklageschriften gegen Litauer und Bürger aus der ehemaligen Sowjetunion um. Die zumeist sich illegal in Deutschland aufhaltenden Osteuropäer und Asiaten haben besonders dort ein regelrechtes Betäubungsmittel-Netzwerk aufgebaut, wo die Absatzchancen groß sind - dort, wo drogenabhängige Rußlanddeutsche leben.
Inga P. gehörte zu einer Bande von Litauern, die von ihrem Ehemann Zidrunas P. geleitet wurde. Nachweisen konnte man der Frau zumindest drei Tatbeteiligungen im 2003: Seinerzeit waren bei Kurierfahrten jeweils gut 500 Gramm Herion aus Antwerpen in Belgien nach Deutschland eingeschleust worden. Nach Ansicht von Staatsanwalt Martin Temmen war Inga P. dabei »als Kurierin, als Informationsvermittlerin und als Depothalterin« tätig. Klartext: In einem Fall transportierte sie das Gift selbst über die Grenze; ansonsten saß sie in der ehelichen Wohnung in Borgholzhausen am Telefon und hielt sowohl Kontakt mit ihrem Ehemann in Belgien als auch mit den Unverkäufern in Ostwestfalen. Überdies hatte sie Zugang zu dem Rauschgift, das ohnehin in der Wohnung lagerte.
Dass die 9. Große Strafkammer des Landgerichts Bielefeld die Frau unverständlicherweise angesichts dieser Mengen von Heroin nur zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilte, wurde seinerzeit von Richterkollegen als »skandalös« bewertet. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe setzte indes noch einen bemerkenswerteren Maßstab: Er hielt die Frau noch nicht einmal als Täterin für schuldig. Auf die Revision der Angeklagten beschlossen die Bundesrichter, sie könne nur wegen Beihilfe zu den Taten ihres Mannes verurteilt werden.
Der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld blieb am Donnerstag kaum noch juristische Luft zum Atmen: Nach dem BGH-Verdikt war das Urteil schließlich vorgegeben. Inga P. - die nach eigenen Angaben straffällig geworden war, weil sie sich wegen ihrer Kinderlosigkeit mehrfach künstlich befruchten ließ - erhielt eine zweijährige Strafe, deren Verbüßung obendrein zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Artikel vom 16.09.2005