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Migranten mit
viel Potenzial

Podiumsdiskussion »Auf Augenhöhe«

Paderborn (WV). »Diese Podiumsdiskussion war in meiner Moderatorenlaufbahn die interessantes, lebendigste und spannendste Veranstaltung, die ich je erlebt habe«, so äußerte sich der Leiter des Landesstudios Bielefeld des WDR Michael Thamm am Ende der hervorragend besuchten und von Dr. Norbert Börste bestens organisierten Podiumsdiskussion im gefüllten großen Saal des Paderborner Rathauses: Sind russlanddeutsche Aussiedler in der Region ein Gewinn oder ein Risiko?

Dieser Frage stellten sich am Mittwochabend vier Vertreter aus Recht, Politik, Soziologie und Religion bei einer Podiumsdiskussion im Paderborner Rathaus. Vor rund 200 Zuschauern fiel das Fazit recht positiv aus. Denn Aussiedler fördern das Wachstum Paderborns und sind mit ihrer oft sehr guten Ausbildung ein Gewinn für den Arbeitsmarkt. So stellte Bürgermeister Heinz Paus fest, dass so kompetent und offen hervorragend diskutiert worden ist in einer Stadt, wo über 8000 russlanddeutsche Neubürger aus der ehemaligen Sowjetunion stammen und damit das größte Zuwanderungskontingent darstellt. Paus machte deutlich, dass diese neuen Mitbürger eine große Bereicherung der Stadt seien, die sich wirtschaftlich und beruflich äußerst stark engagierten, was angesichts der immer wieder vorkommenden Negativschlagzeilen leider viel zu wenig bekannt sei. Die meisten russlanddeutschen Neubürger seien daher sehr herzlich willkommen.
Es wurde aber auch durch Oberstaatsanwalt Günter Krüssmann klar gestellt, dass besonders männliche junge Heranwachsende ein Problem darstellen, da sie überproportional in den Kriminalitätsstatistiken auftauchen. Dieses Manko könne sich aber sicherlich durch Integration in den nächsten Jahren deutlich verändern. Er verwies auf die Zuwanderung von Polen während der Industrialisierungsphase des Ruhrgebietes anfangs des vergangenen Jahrhunderts hin, als auch längere Zeit zur Integration nötig gewesen sei
Der Soziologe Dr. Johannes St. Müller, Oerlinghausen, machte lobend deutlich, dass es diesem Paderborner Pilotprojekt zu verdanken sei, dass es erstmals zu einer derartigen Vernetzung mit Neubürgern einer Stadt gekommen sei und erklärte nochmals zusammen mit Prof. Dr. Wolfgang Thönissen, Rektor der Theologischen Fakultät Paderborn, dass Integration ein Thema ist, das in der Zeit multikulturellen Zusammenlebens alle angehte, wobei auch das Aufeinanderzugehen der Religionsgemeinschaften eine große Rolle spiele.
Das Ausstellungsprojekt »Auf Augenhöhe. Deutsche aus Russland zwischen Hoffnung und Vorurteil« tritt daher Vorurteilen gegenüber Russlanddeutschen durch verschiedene Ausstellungen und Vorträge besonders entgegen. Alle Diskussionsteilnehmer waren sich nach über zweistündiger spannender Auseinandersetzung einig, dass dieses Potential der russlanddeutschen Migrantengruppe bei der gesellschaftlichen Mitgestaltung der Zukunft noch gar nicht genügend gewürdigt und berücksichtigt worden sei und daher sei es sehr zu begrüßen, dass endlich etwas durch dieses Integrationsprojekt in Bewegung gekommen ist.
Inzwischen möchten auch andere Städte das Paderborner Ausstellungs- und Pilotprojekt übernehmen. So plant die Stadt Korbach im nächsten Jahr die Übernahme der Ausstellungen.

Artikel vom 17.09.2005