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Von der tollen Knolle schon früh begeistert

Kartoffelanbau: Deesberger Pächter schrieb im Jahr 1802 an den Freiherrn vom Stein

Von Maren Waltemode
Vlotho (WB). Kartoffeln sind von unseren Tellern nicht mehr wegzudenken. Sie schmecken gut und sind ausgesprochen gesund. In Europa ist das Nachtschattengewächs erst seit dem 18. Jahrhundert bekannt. Auf Gut Deesberg in Vlotho hielt die Kartoffel um 1750 Einzug.
Kennt sich mit Kartoffeln aus: Der Vlothoer Walter Bätz war jahrelang Leiter des Kartoffelreferats im Bundessortenamt. Für das Jahrbuch »Minden-Ravensberger« hat er sich auf die Spuren der Kartoffel in Vlotho und Umgebung begeben. Foto: Oliver Schwabe

Der Geschichte der Kartoffel in Ostwestfalen-Lippe widmet sich der Vlothoer Walter Bätz in seinem Beitrag im »Minden-Ravensberger 2005«, dem Jahrbuch für Ostwestfalen-Lippe. Ein Hollandgänger aus dem lippischen Istrup soll die Kartoffel in die Region gebracht haben. »Hollandeier« wurden die neuartigen Gewächse zunächst genannt. Schon damals wusste man um den hohen Gehalt an Kalium, Magnesium und leicht verdaulichem Eiweiß. 1773 wurde eine lippische Verordnung erlassen, die zur Unterstützung des Kartoffelanbaus aufrief.
Auch Domänenpächter Carl Friedrich Haccius aus Deesberg bei Vlotho hielt viel von der tollen Knolle und beantwortete in einem Brief an den Mindener Kammerdirektor Freiherr vom Stein dessen fünfzehn Fragen zur »Landwirtschaft im nördlichen Westfalen«. »Die Kartoffel ist um 1750 in unsere Heimat eingeführt worden und hat sich seit 1770 schnell verbreitet«, schreibt der Deesberger im Jahr 1802.
»Allerdings scheint sich die Kartoffel im Feldanbau in Ostwestfalen nur zögernd durchgesetzt zu haben«, formuliert Walter Bätz im »Minden-Ravensberger«. Johann Nepomuk von Schwerz beklagte 1836 das Fehlen der Kartoffel in den Getreidefolgen in Vlotho. Um 1845 kam es in Europa zu einem Krautfäulebefall. Auch Vlotho war davon betroffen.
Durch die Kartoffelpest wurden Kartoffeln rar, was zu einer Hungersnot führte. Das Vieh musste durch den Futtermangel notverkauft werden. »Dies alles soll eine der Ursachen der Revolution von 1848 gewesen sein«, resümiert Walter Bätz.
Auch der Steckrübenwinter von 1916/17 ist wichtig für die Verbreitung der Kartoffel in Vlotho. Die Krautfäule hatte im Sommer 1916 große Schäden verursacht. Steckrüben dienten als Ersatz, schreibt der Experte. Danach versuchte man, durch Zuchtprogramme die Kartoffel resistenter zu machen.
Nach dem Kriegsende 1945 konnten die ostdeutschen Pflanzkartoffelvermehrungsgebiete unter sowjetischer Besatzung nicht mehr in diese Region liefern. Die britische Besatzungsmacht kümmerte sich hier um Pflanzgut. Im Frühjahr 1946 wurden am Vlothoer Güterbahnhof britische Kartoffelsorten an die Landwirte ausgeliefert.
Im Laufe der Jahre hat sich der Kartoffelkonsum verändert. Durch den steigenden Wohlstand ist der Verbrauch von 224 Kilogramm pro Kopf in den Jahren 1948/49 auf 70 Kilogramm im Jahr 2003 gesunken, informiert Walter Bätz.
Der Vlothoer hat die Informationen über die Kartoffel im Laufe seines Berufslebens gesammelt. Nach dem Studium arbeitete er in einem Kartoffelzuchtbetrieb und war danach Leiter des Kartoffelreferats im Bundessortenamt in Hannover. Das Bundessortenamt ist für die Zulassung und den Sortenschutz von Pflanzen zuständig. Mittlerweile ist Walter Bätz pensioniert und in seine Heimatstadt Vlotho zurückgekehrt.

Artikel vom 15.09.2005