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Professor Walter Schrader in seinem Atelier. Zeichnung und Aquarell stammen aus frühen Schaffensjahren, das Adam-und-Eva-Thema will er vielleicht wieder aufgreifen.

Ein ganzes Leben für und mit der Kunst

Kulturpreisträger Walter Schrader sucht neue Ziele

Von Andrea Pistorius (Text)
und Wolfram Brucks (Foto)
Paderborn (WV). Wer Walter Schrader besucht, betritt ein Haus, das eher einer Galerie gleicht. An Wänden, Decken und Möbeln finden sich Zeugnisse seines künstlerischen Schaffens, das nahezu fünf Jahrzehnte umfasst. Für sein Lebenswerk wird der ehemalige Hochschullehrer am 23. Oktober mit dem Kulturpreis der Stadt Paderborn geehrt.

Es gibt kaum eine künstlerische Technik, mit der sich der 75-Jährige nicht beschäftigt hat. 3000 Skizzenblätter füllen lange Regalbretter - Schrader hat sie selbst in Leinen gebunden - und in Archivschränken stapeln sich 1500 Aquarelle sowie mehrere hundert Zeichnungen und Drucke. Doch das ist noch längst nicht alles. »Ich kann besser tischlern als jeder Korbflechter, und besser korbflechten als jeder Buchbinder, und besser buchbinden als jeder Lampenfalter, und besser, naja und so weiter«, beliebt Walter Schrader zu scherzen und verweist auf selbstgefertigte Bilderrahmen, eine Lampenkreation aus silberfarbenen Christbaumkugeln und Körbe, die als Altargeräte Verwendung finden. Er hat auch schon einen Webstuhl konstruiert, Skulpturen aus Stein gehauen und experimentiert derzeit mit Abgüssen aus Kunstharz.
In seinem Atelier im Keller seines Hauses wird man Staffelei und Farbpalette vergeblich suchen. »Seit zehn Jahren bin ich nicht mehr zum Malen gekommen«, gesteht der Mann, der viele Studentenjahrgänge und Freizeit-Kreative in Ateliergemeinschaften unterwiesen und in ihrer Kunstfertigkeit geprägt hat. Die wissenschaftliche Erforschung der Kinderzeichnung, mit der Schrader vor zwei Jahren den Doktortitel erwarb, hatte ihn vollständig beschäftigt. Mit der Dissertation hat er bisher vorherrschende Meinungen über die Motive und Möglichkeiten künstlerisch tätiger Kinder auf den Kopf gestellt.
Ob er sich jetzt wieder der Malerei widmen wird, vermag Walter Schrader nicht zu sagen. Auch die Offset-Andruckpresse, an der er häufig mit Studenten gearbeitet hat, steht still. Lediglich der Computer arbeitet auf Hochtouren, da der ebenso vielseitige wie produktive Kunstschaffende sein Werk vollständig sichten, sortieren und katalogisieren will. Bis zum Jahr 2000 ist er schon gekommen.
Zunächst einmal möchte Walter Schrader aber mit seiner Frau Doris Reisepläne schmieden. Die Dotierung des Kulturpreises in Höhe von 5000 Euro ermöglicht dem Paar die Verwirklichung dieses langgehegten Wunsches. »Bei vier Kindern und neun Enkeln hat sich eine große Erlebnisreise einfach noch nicht ergeben«, verrät der Familienmensch Schrader lächelnd und ohne Bedauern.
Was ihm der Kulturpreis bedeutet, vermag der Geehrte nicht sofort zu sagen. »Mir war stets daran gelegen, dass die Kunst anständig bleibt, und dass das unverständliche Neue den Menschen vermittelt wird. Daran habe ich mit Freude mitgearbeitet«, meint Schrader nur, der trotz großer Erfolge stets bescheiden geblieben ist.
Wer sein Haus verlässt, muss beinahe unhöflich werden, sonst kommt er nicht los. Zu jedem Bild kann der Künstler eine Geschichte erzählen, und bei dem enormen Fundus wird es beim nächsten Besuch ganz sicher nicht langweilig.

Artikel vom 16.09.2005