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Handwerk gegen höhere Mehrwertsteuer

Podium vor der Bundestagswahl: Josef Tack spricht von »verbrannter Erde« bei Ich-AG

Von Karl Pickhardt (Text und Foto)
Kreis Paderborn/Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Das Paderborner Handwerk warnt heimische Bundestagskandidaten und Parteien vor weiteren Steuerbelastungen. Eine geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer nannte Hauptgeschäftsführer Josef Tack von der Kreishandwerkerschaft Paderborn während einer Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl vor etwa 100 Gästen »Gift für die Binnenkonjunktur«. Allein das Bauhandwerk habe in den vergangenen Jahren im Kreis Paderborn mehr als tausend Arbeitsplätze verloren.

CDU-Europaabgeordneter Elmar Brok, der im Podium den erkrankten CDU-Bundestagsabgeordneten Gerhard Wächter vertrat, verteidigte die von einer CDU-geführten Bundesregierung beabsichtigte Mehrwertsteueranhebung um zwei auf 18 Punkte. Die zeitgleiche Senkung der Arbeitslosenversicherung um zwei Prozent entlaste die Lohnnebenkosten auch für das mittelständische Handwerk. Die Steueranhebung sei im Gesamtkonzept mit sinkender Einkommensteuer und Förderung der Binnenkonjunktur zu sehen: »Mehr Geld in den Taschen der Arbeitnehmer«. Beschäftigtenzuwachs sei einzig über wirtschaftliches Wachstum zu erreichen. Er sprach sich mit Hauptgeschäftsführer Tack für eine Lockerung des Kündigungsschutzes bei Neueinstellungen aus.
SPD-Bundestagsabgeordnete Ute Berg bezweifelte zusammen mit dem Grünen-Bundestagskandidaten Dr. Klaus Schröder einen Beschäftigteneffekt durch Erhöhung der Mehrwertsteuer. Im Übrigen habe die SPD-geführte Bundesregierung Mittelstand und Handwerk bereits durch Senkung der Lohnnebenkosten sowie Steuererleichterungen in Höhe von 17 Milliarden Euro unterstützt. Die CDU-Bundesregierung mit Kanzler Kohl habe dagegen von 1990 bis 1998 die Lohnnebenkosten von 35,5 auf 42,1 Prozent erhöht. »Daran kranken wir doch«, sagte Berg. Während des Podiumsgesprächs meldeten sich auch besorgte Handwerker zu Wort, die mit einer Steueranhebung eine Verteuerung der Handwerksstunde fürchten. Eine weitere Lockerung des Kündigungsschutzes lehnen Berg und Schröder ab.
FDP-Kreisvorsitzender Dr. Michael Hadaschik, der den beruflich verhinderten FDP-Bundestagskandidaten Heinz Heineke vertrat, plädierte für eine Senkung der Unternehmensbesteuerung und für Abschaffung der Gewerbesteuer. Beim Kündigungsschutz seien Veränderungen nötig. Planungssicherheit stärke bei Verbrauchern den Optimismus und damit eine Investitionsbereitschaft.
Neben der Frage nach den Lohnnebenkosten und Steuerbelastungen rückte das Handwerk in der »lokalen Elefantenrunde« unter Moderation von Handwerks-Geschäftsführer Peter Gödde wenige Tage vor der Bundestagswahl auch Ich-AGÕs, Ein-Euro-Jobs sowie die umstrittene Novelle der Handwerksordnung mit Fortfall der Meisterpflicht zur Betriebsführung in einigen Branchen in den Fokus. Einschätzungen des Grüne-Kandidaten Dr. Klaus Schröder, wonach 52 Prozent der Ich-AGÕs im ersten Jahr Gewinne machten, stießen im weiten Rund auf Gelächter. Handwerks-Geschäftsführer Josef Tack beklagte »viel verbrannte Erde«, die Lieferanten, Banken oder auch Sozialversicherungen durch Ich-AGÕs erlitten hätten. Die Schwemme der Betriebsneugründungen in Branchen, die nach der Handwerks-Novelle keinen Meisterbrief mehr bräuchten, habe zu etlichen Pleiten schon nach wenigen Monaten und zu einer deutlichen Minderung der Qualität geführt. Andere Paderborner Handwerker im Zuhörerraum bekundeten, dass sie wegen des strengen Kündigungsschutzes Neueinstellungen scheuten und Beschäftigungspitzen lieber über Leiharbeit abdeckten.

Artikel vom 15.09.2005