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Hooligans bedrohen
Ehepaar mit Messer

Horror-Fahrt im Zugabteil - Kritik an der Bahn

Von Dirk Bodderas
Rheda-Wiedenbrück (WB). Der Horror begann in der Ersten Klasse eines Regionalexpress: Auf der Rückfahrt von Amsterdam nach Hause musste sich ein Rheda-Wiedenbrücker Ehepaar gegen acht Hooligans zur Wehr setzen - und kann offenbar von Glück reden, mit dem Leben davon gekommen zu sein. Martina Sampl: »Unglaublich, aber wahrscheinlich passiert so was täglich. Beim nächsten Mal ziehe ich die Notbremse. . .«

Sonntag, 18. August, früher Nachmittag: Sampls haben ein verlängertes Wochenende in der niederländischen Metropole hinter sich, sitzen jetzt alleine im Erste-Klasse-Wagon eines Regionalexpress, der sie nach Rheda-Wiedenbrück bringen soll. Eine Haltestelle nach dem Duisburger Hauptbahnhof stehen plötzlich acht Typen im Abteil, 30 bis 40 Jahre alt, ungepflegt - und betrunken. Es ist ein Nichtraucherabteil, aber die Männer stört das nicht und zünden sich Zigaretten an. Sie fühlen sich stark, pöbeln herum, beschimpfen das Ehepaar mit den übelsten Ausdrücken. Achim Sampl steht auf, holt einen Schaffner. Der setzt die »Herren« vor die Tür der Ersten Klasse. Offenbar haben die »Fußballfreunde« nicht mal ein Ticket für die voll besetzte zweite Klasse.
Die Initiative des Rheda-Wiedenbrückers bringt die Randalierer offenbar erst richtig in Fahrt. Als der Schaffner weg ist, sind sie wieder da. »Wir bringen Euch um. Wartet nur, bis Ihr aussteigt«, giften sie das Ehepaar an. Martina Sampl: »Es war so bedrohlich. Wir saßen da ganz allein im letzten Wagon mit diesen Leuten und wussten nicht mehr, wie wir uns helfen sollten. Irgendwann habe ich in meiner Not die Polizei per Handy angerufen.« Und sie erreicht über die 110 einen Beamten in Unna, der ihr wenig Hoffnung macht: »Wir können ihnen leider erst helfen, wenn sie verletzt sind«, habe der Polizist gesagt. Sehr beruhigend. . .
»Ich bin dann nach vorne zum Lokführer, habe zwei Schaffner zu Hilfe geholt«, berichtet Martina Sampl. In diesen Minuten ist ihr Mann Achim alleine mit den Chaoten, wird von einem der Männer mit einem Messer bedroht. »Stech ihn, ab. Los, stech ihn ab«, feuert ihn ein anderer an. Und: »Es gibt keine Zeugen. Einer von uns geht dann eben eine Nacht in den Knast«. Sampl bleibt zum Glück ruhig. Was ihm möglicherweise das Leben rettet.
Martina Sampl kommt sogar mit drei Schaffnern zurück. Einer macht auf dem Absatz kehrt und verabschiedet sich mit den Worten »Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.« Die beiden anderen bleiben auf Drängen des Ehepaars eineinhalb Stunden, bis zum Haltepunkt Rheda-Wiedenbrück, sitzen. »Mit gesenkten Köpfen«, wie Sampls im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT die Situation beschreiben. Die Bahn-Mitarbeiter hätten sich nicht mal getraut, bei den Männern die Fahrscheine zu kontrollieren.
Das Ehepaar versteht nach dieser Horror-Fahrt die Welt nicht mehr. »Muss man wirklich erst ein Messer zwischen die Rippen bekommen. . .?« Ihr Mann habe einmal erlebt, wie ein betrunkener Fahrgast auf freier Strecke vom Bundesgrenzschutz aus dem gestoppten Zug geholt wurde, berichtet die Unternehmerin - und fragt sich, warum Bahn und Polizei in ihrem Fall mit der Bedrohung so locker umgegangen sind. Achim Sampl: »Die Polizei rückt doch bei jedem Grillstreit zwischen Nachbarn aus. Wo ist da die Verhältnismäßigkeit?«
Die beiden 45-Jährigen fordern nach dieser Alptraum-Reise mehr Sicherheit beim Zugfahren. »Auf dem Kölner Hauptbahnhof sind uns mal zwei private Wachmänner begegnet, die von der Bahn als Reaktion auf ein Verbrechen engagiert wurden. In einem Zug war eine Frau eine halbe Stunde lang von einem Unbekannten vergewaltigt worden. . .«

Artikel vom 16.09.2005