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»Morgens um vier ist
es am gefährlichsten«

Junge Fahrer besonders häufig in Unfälle verwickelt

Von Karl Pickhardt (Text)
und Wolfram Brucks (Foto)
Kreis Paderborn (WV). »Ich möchte Keinen von Ihnen in der Zeitung sehen«. Schulleiter Rainer Naewe vom Ludwig-Erhard-Berufskolleg in Paderborn weiß, wie schlimm Kondolenz-Besuche bei leidgeprüften Eltern nach Verkehrsunfällen mit tödlichem Ausgang sind. Die Paderborner Berufsschulen machten gestern zusammen mit der Polizei bei Verkehrssicherheitstagen auf Risiken für junge Fahrer aufmerksam.

243 junge Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren waren im Vorjahr in Verkehrsunfällen im Kreis Paderborn verwickelt: Fünf von ihnen starben, 79 landeten mit zum Teil schwersten Verletzungen im Krankenhaus. Landrat Manfred Müller kennt die häufigsten Unfallgründe: zu schnelles Fahren, riskante Überholmanöver oder auch Alkohol und Drogen. Erst am Montag starb ein 23-jähriger Fürstenberger nahe seinem Heimatort, weil er mit seinem Wagen gegen einen Baum geprallt war (wir berichteten am Dienstag).
Die Verkehrssicherheitstage im Paderborner Berufsschulzentrum (8500 Schülerinnen und Schüler) gestern und am heutigen Donnerstag verdeutlichen mit Crash-Vorführungen auf dem Maspernplatz oder Gurtschlitten, Polizei-Videos, Unfall-Simulatoren und Testanlagen auf dem Schulgelände das hohe Gefahrenpotenzial für die Gruppe der Fahranfänger. »18- bis 24-Jährige sind überproportional an Unfällen beteiligt«, berichtet Erster Polizeihauptkommissar Roland Spenner in einer Podiumsdiskussion im Forum des Ludwig-Erhard-Berufskollegs. Verkehrsrichter Franz Kaps vom Amtsgericht Paderborn, der selbst schon einmal einen Überschlag-Unfall erlitt, sieht in der mangelnden Erfahrung bei jungen Fahrern das Übel: »Sie fahren eigentlich nicht schlechter als Ältere, haben aber weniger Erfahrung in Krisenmomenten«.
Notarzt Dr. Martin Bauer beklagt zunehmende Unfallzahlen nach Alkoholgenuss: »An Wochenenden morgens um vier ist es am gefährlichsten«, spricht der Mediziner die Disco-Unfälle an. Das bestätigt auch Helmut Gurok von der Paderborner Feuerwehr. Moderne Autos mit Airbag und Seitenverstärkungen erschweren die Feuerwehrarbeit beim Einsatz von Rettungsscheren oder Spreitzern.
Die jungen Berufsschülerinnen und -schüler interessieren sich für den »Führerschein mit 17«, der jetzt in Nordrhein-Westfalen eingeführt werden soll. Josef Hardes als Leiter des Straßenverkehrsamtes Paderborn weist darauf hin, dass 17-Jährige lediglich in Begleitung von mindestens 30 Jahre alten Erwachsenen mit fünf Jahren Führerscheinerfahrung und höchstens drei Punkte in der»Verkehrssünderkartei« Flensburg fahren dürfen. Übrigens: Die erwachsenen Begleiter müssen vorher den Behörden benannt werden.
Beim Podiumsgespräch schlugen gestern junge Leute eine regelmäßige medizinische Untersuchung für Autofahrer vom 65. Lebensjahr an vor, weil Ältere ebenso wie Fahranfänger eine Gefahr im Straßenverkehr sein könnten. Die Unfall-Statistik aus dem ersten Halbjahr für den Kreis Paderborn bestätigt diese Annahme jedoch nicht. Polizeisprecher Ulrich Krawinkel nannte 154 Unfallbeteiligte zwischen 18 und 24 Jahren, aber »nur« 54 Senioren älter als 65 Jahre.

Artikel vom 15.09.2005