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»Unsere Gesundheit wird immer teurer«

Vier Bundestagskandidaten diskutieren in der Wandelhalle über die beste Versicherung

Von Thomas Hochstätter
Bad Oeynhausen (WB). Die Gesundheitskosten sind für das aktuelle Versicherungssystem zu teuer - und sie werden noch weiter steigen. Deswegen muss ein neues System her. Nur welches? Um diese Frage kreiste gestern eine Podiumsdiskussion in der Wandelhalle.
Mehr als 200 Besucher wollten gestern Nachmittag in der Wandelhalle hören, was die vier Bundestagskandidaten (vorn, von links) Wolfgang Spanier, Reinhard Göhner, Angela Holstiege und Frank Schäffler zu sagen hatten. Für den Ärzteverein moderierte (hinten, von links) Prof. Reiner Körfer. Die Einleitung steuerte Vorsitzender Dr. Rüdiger Witschel bei. Mit auf dem Podium saß Kassierer Dr. Karl-Werner Schleinig.Foto: Moritz Winde
Der Vorsitzende des veranstaltenden Ärztevereins Dr. Rüdiger Witschel kritisierte in seiner Einführung die Bürokratie, zu der die Ärzteschaft gezwungen werde, statt sich um die Patienten kümmern zu dürfen. »Der Arztberuf genießt allgemein höchste Wertschätzung«, sagte Witschel. Wer indes die Arbeitswirklichkeit in den Praxen und Kliniken kenne, reibe sich verwundert die Augen. Die Folge sei, dass Ärzte ins Ausland abwanderten, weil sie zum Beispiel während der Assistenzzeit im Bereitschaftsdienst weniger verdienten als eine Putzfrau. »Hochqualifiziert, aber tief frustriert«, beschrieb Witschel den Zustand der Ärzteschaft. Er forderte angemessene Vergütung und anständige Arbeitsbedingungen.
Die vier Politiker, die sich anschließend dazu äußerten, waren Wolfgang Spanier (SPD), Reinhard Göhner (CDU), Angela Holstiege (Grüne) und Frank Schäffler (FDP). Spanier sagte, die deutsche Gesundheitsversorgung auf hohem Niveau müsse aufrechterhalten werden. Er betonte die Gemeinsamkeiten der Volksparteien in dieser Frage und regte eine Kombination der rot-grünen Bürgerversicherung und der Kopfpauschale/Gesundheitsprämie der Union an. Es schien, als klinge schon eine große Koalition an, als Spanier sagte: »Ich bin ohnehin sehr dafür, in fundamentalen Fragen eine möglichst breite Mehrheit zu erzielen.«
Reinhard Göhner betonte: »Angesichts der demographischen Entwicklung ist es völlig ausgeschlossen, dass wir in Zukunft weniger für Gesundheit ausgeben werden. Es wird eher tendenziell teuer werden, weil die Medizin zum Glück immer besser wird.« Die Krankenversicherung müsse von den Arbeitskosten entkoppelt werden, weil es immer weniger Beschäftigte gebe. Zu den Vorwürfen Witschels sagte Göhner: »Nur ein Teil der Bürokratie kommt aus der Politik.« Für vieles sei etwa die kassenärztliche Vereinigung verantwortlich. Die rot-grüne Bürgerversicherung sei kein gangbarer Weg, sondern eine »Zwangs-AOK«, die die privaten Versicherungen »platt« mache, wo die doch das marode System gerade noch so am Laufen hielten.
Angela Holstiege unterstützte Göhners Meinung, dass der Anteil der Selbstbeteiligung steigen werde. Als Ehefrau eines Krankenhausarztes vertrat sie allerdings entgegen Rüdiger Witschels Einführung die Ansicht, dass Ärzte durchaus genug verdienten. Sie sagte, die Grünen wollten das »Monopol der kassenärztlichen Vereinigung durchlöchern« und forderte Arztrechnungen für alle Versicherten und mehr Qualitätskontrollen. Moderator Prof. Reiner Körfer sagte, das würde die Belastung der Ärzte unnötig erhöhen und sei kein Ausweg.
FDP-Kandidat Schäffler nannte das rot-grüne Modell »Würgeversicherung« und forderte den Wechsel zu einem kapitalgedeckten System. »Sonst kann der Staat morgen sagen: ÝEs gibt nichts mehr, das Geld ist alle.Ü« Der Unionsvorschlag kranke daran, dass CSU-Experte Horst Seehofer eben diese Komponente im CDU/CSU-Kompromiss verhindert habe.
Die mehr als 200 Zuhörer belohnten die sachlichen Argumente der Kandidaten immer wieder mit Beifall.

Artikel vom 15.09.2005