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Steine werden
Partner des
Betrachters

Rudolf-Weber-Symposium eröffnet

Von Stefanie Westing
Espelkamp (WB). Noch vor einem Jahr war wohl kaum jemand in der »jungen Stadt im Grünen« mit der Bildhauerei vertraut. Heute jedoch, scherzte Torsten Siemon, wisse in Espelkamp jedes Kind, was ein Gneis ist und bei welcher Temperatur Granit schmilzt. Und wer die Antworten doch noch nicht oder nicht mehr kennt, hat nun vier Wochen Zeit, sich zu informieren.

Denn am Montagabend wurde das zweite Rudolf-Weber-Symposium des Stadtmarketingvereins Initiative Espelkamp eröffnet. Moderator Siemon und Bürgermeister Heinrich Vieker begrüßten die Künstler Dorsten Diekmann aus Lemgo, Joachim Karbe aus Angermünde und Yoshimi Hashimoto aus Berlin - Kollege Ton Kalle aus Amsterdam stößt erst am heutigen Mittwoch dazu - am Bahnhof. Dort wird nun vier Wochen lang gemeißelt, gehämmert und geschliffen. Das »Über die Schulter Schauen« ist in dieser Zeit ausdrücklich erwünscht. Die fertigen Skulpturen sollen später im westlichen Teil der Breslauer Straße aufgestellt werden.
In Anlehnung an den Roman des Schriftstellers und Georg-Büchern-Preisträgers Botho Strauß hatten sich die Organisatoren Heiner Brockhagen, Jürgen Heidebrecht, Eckart Schütz, Gerd Spangenberg, Dorsten Diekmann, Andrej Görz und Sandra Reifenberg für das Motto »Paare und Passanten« entschieden. Die Begegnung und Beschäftigung mit dem Kunstwerk soll für jeden einzelnen Betrachter zu einer Art Partnerschaft werden.
Passanten befinden sich viele auf der Breslauer Straße - dort, wo die Werke später aufgestellt werden. Durch die Skulpturen soll das Ziel erreicht werden, nicht »verloren zu gehen«, sondern zu finden und gefunden zu werden. Dabei kann es sich zum Beispiel um Menschen handeln, die sich (neu) finden, weil sie sich über die steinernen Kunstwerke im öffentlichen Raum austauschen.
25 Tonnen Steine wurden aus der Nähe von Cottbus nach Espelkamp gebracht, damit die Bildhauer tätig werden können. Die Künstler haben die insgesamt 13 Steine, die zum Teil ein gutes Stück größer sind als die des ersten Rudolf-Weber-Symposiums, vor Ort in der Lausitz selbst ausgesucht.
»Nach dem großen Erfolg im Jahr 2004 wollten wir schnell nachlegen«, erklärte Bürgermeister Heinrich Vieker. In Zukunft soll der Workshop dann aber alle zwei Jahren stattfinden. Dank Dorsten Diekmann, der bereits bei der Premiere im vergangenen Jahr aktiv war und bei der zweiten Auflage die künstlerische Organisation übernahm, wurden schnell interessierte Kollegen gefunden. Vieker: »Es sind halt alle infiziert mit diesem Virus.«
Der Bürgermeister dankte den Hauptsponsoren Sparkasse Minden-Lübbecke, Bürgerstiftung Espelkamp und Aufbaugemeinschaft. Doch auch viele andere Bürger und Unternehmen unterstützen die Veranstaltung. So können die Bildhauer sich unter anderem kostenlos die Haare schneiden lassen, das »Atoll« besuchen, erhalten Eintrittskarten für das City-Fest und die »Nacht der Komödianten«, werden mit Brötchen, Obstkörben oder Käsekuchen versorgt. »Die Leute hier sind sehr herzlich. Man gibt etwas rein in die Stadt und bekommt auch viel zurück«, brachte es Diekmann auf den Punkt, der es aus dem vergangenen Jahr wissen muss.
Während er noch nicht genau sagen konnte, wie seine neue Skulptur am Ende aussehen soll (»Ich lasse mich vom Stein leiten«), wusste Yoshimi Hashimoto bereits, dass er das Thema »Wolken« aufgreifen wird - er gestaltet seine Steine gerne so, als würden sie fliegen. Der gebürtige Japaner erkannte auf Nachfrage am Montagabend sofort, welche Werke im Park am Bahnhof von Dorsten Diekmann stammen. Denn: »Jeder Künstler hat seine eigene Handschrift.«
Für alle, die es im Laufe der vergangenen zwölf Monate vergessen haben sollten, gab Moderator Torsten Siemon übrigens am Montag auch die Antworten auf die Fragen, die in Espelkamp angeblich jedes Kind lösen kann: Ein Gneis ist ein metamorphes Gestein mit hohem Umwandlungsgrad, und ein Granit schmilzt unter Atmosphärendruck bei 960 Grad Celsius.

Artikel vom 14.09.2005