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»Manche Bewerbungen tun weh«

Handwerksbetriebe monieren Mangel an qualifizierten Nachwuchskräften

Von Per Lütje
Löhne (LZ). Die Betriebe kommen ihrer Verantwortung nicht nach und bilden zu wenig aus, sagen Politiker. Es ist äußerst schwierig, junge Leute mit entsprechenden Qualifikationen zu finden, sagen die Personalchefs. Die LÖHNER ZEITUNG horchte in drei Handwerksbetrieben nach, ob es tatsächlich so schlecht um den Nachwuchs bestellt ist.
Jürgen Horst von der gleichnamigen Mennighüffener Fleischerei beklagt einen Mangel an geeigneten Nachwuchskräften und legt eine einjährige Ausbildungspause ein.

Die Mennighüffener Fleischerei Horst an der Lübbecker Straße wird in dritter Generation von Jürgen Horst geführt. Der 36-Jährige hat im Juni dieses Jahres einen Lehrling durch die Gesellenprüfung gebracht und möchte nun erstmal ein Jahr Ausbildungspause machen. »Ich habe einige Bewerbungsschreiben bekommen. Viele davon waren hart an der Schmerzgrenze.« Zeugnisse mit fast durchweg ausreichenden und mangelhaften Noten seien keine geeignete Eintrittskarte in den Beruf des Fleischers oder Fleischereifachverkäufers
Ein weiterer Grund, warum seiner Branche der Nachwuchs fehlt, sieht Jürgen Horst in dem Image des Fleischers. »Es ist halt nicht jedermanns Sache, körperlich zu arbeiten, und das auch zu Zeiten, in denen andere Menschen Freizeit haben.« Darüber hinaus habe sein Berufsstand mit einer großen Branchenflucht zu kämpfen: »80 bis 90 Prozent der Lehrlinge wechseln in einen anderen Beruf. Das ist gerade hier in Löhne stark ausgeprägt, wo es viel Küchenindustrie gibt, in der bessere Verdienstmöglichkeiten herrschen.«
Für die Fleischerei Horst - ein klassisches Familienunternehmen - ist es aber auch eine finanzielle Frage, einen Ausbildenden anzustellen. »Ein Lehrling ist gerade einmal zwei Tage in der Woche im Betrieb. Die übrige Zeit verbringt er in der Berufsschule. Und ich frage mich, ob es wirklich nötig ist, dort auch Fächer wie Religion und Sport zu unterrichten?«
Diese Frage stellt sich auch Thomas Ruschmeier. Der Malermeister hat seinen Betrieb an der Brunnenstraße und beschäftigt derzeit drei Auszubildende. »Es ist dringend nötig, den Lehrplan auszumisten. Ich finde nicht, dass dort Religions- und Sportunterricht hineingehören.«
Doch da gibt es etwas, was beim 39-Jährigen noch viel mehr Bauchschmerzen verursacht als die Gestaltung des Berufsschulunterrichts. »Beim Grundwissen hapert es bei unglaublich vielen Bewerbern. Ich verlange nicht viel. Aber die Grundrechenarten, Geometriekenntnisse, Lesen und Schreiben erwarte ich. Wenn dann aber Bewerber nicht in der Lage sind, die Quadratmeterzahl einer Fläche von zwei Metern Höhe und zwei Metern Breite zu berechnen, zweifle ich an dem Schulsystem.«
Thomas Ruschmeier hat seine Lehren daraus gezogen, dass Zeugnisse nicht zwangsläufig Aussagen über die Eignung zulassen, und vor zehn Jahren einen Einstellungstest eingeführt. Von den 25 Bewerbungen in diesem Jahr schafften es gerade einmal fünf, zu diesem geladen zu werden.
Die Gohfelder Bäckerei Simon an der Rüscherstraße ist deutlich optimistischer, was die Qualifikationen junger Menschen angeht. »Wir haben keine Zukunftssorgen, und ich finde, dass auf hohem Niveau gejammert wird«, sagt Bäckermeister Arno Simon. Dass er sich im wahrsten Sinne des Wortes keine Nachwuchssorgen um die knapp 50 Jahre alte Firma zu machen braucht, liegt auch daran, dass Tochter Marie (17) als Auszubildende im elterlichen Betrieb arbeitet. »Es musste mich aber niemand zwingen«, betont die junge Frau und lacht.
In einem sind sich alle drei Betriebe einig: Das Handwerk muss weiter ausbilden, um selbst eine Zukunft zu haben. »Es ist ja auch ein unglaublich schöne Aufgabe und macht viel Spaß, wenn man am Ende auch etwas wiederbekommt. Ausbildung ist ein Geben und Nehmen zwischen Ausbilder und Auszubildendem«, sagt Jürgen Horst.

Artikel vom 14.09.2005