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Operntod in Zeitlupe nützt dem Theatersieg

Improtheater: WM-Qualifikation in den Kammerspielen

Von Thorsten Böhner
(Text und Foto)
Paderborn (WV). Im Rahmen der Fußball-WM im nächsten Jahr auf deutschem Boden werden nicht nur auf dem grünen Rasen die Kräfte gemessen. Als Teil des damit verbundenen Kulturprogramms wollen dann auch 16 Mannschaften verschiedener Nationen, die sich dem Theatersport verschrieben haben, um den Titel des »Improvisationstheater-Weltmeisters« wetteifern.

Der als gewandter Moderator fungierende Urban Luig, der von seinem Engagement in den Kammspielen bestens bekannt sein dürfte, kehrte mit zwei jeweils dreiköpfigen Teams aus Holland und Belgien am Sonntagabend an seine alte Wirkungsstätte zurück. Zwischen den beiden rivalisierenden Gruppen sollte eine Formation ermittelt werden, die an der Improvisationstheater-WM 2006 teilnimmt. Als unbestechlicher Schiedsrichter trat der zebragestreifte Knut auf den Plan, der trockenhumorig auf die Einhaltung der Regeln achtete und im Zweifelsfall Punktabzug verhing, was mitunter auf der Bühne und im Zuschauerraum für verbale Spaßeinlagen sorgte. Die immer auf den Punkt passende musikalische Begleitung lieferte Kammerspiel-Urgestein Gogo an den Tasten.
So liefen sie denn auf: die Holländer erwartungsgemäß in Oranje-Shirts, die Belgier im angriffslustigen Rot. Beide Teams suchten gleich die Offensive und bliesen zum Frontalangriff aufs Zwerchfell. So mussten die einzelnen Darsteller zwischen drei parallel gespielten Szenen hin- und herspringen, und wenn sie dann mal die gleiche Szene mehrmals spielen durften, dann aber bitte mit unterschiedlichen Emotionen. Überhaupt standen die Gefühle sehr im Mittelpunkt: Da traf der heroische Robin Hood seine Lady Marian mitten im Zuschauerraum, und bei einer Oper fanden fast alle Beteiligten einen pathetischen Tod in Zeitlupe. Bei anderen musikalischen »Anecktoden« wurde dann munter zwischen den Kategorien Oper, Hip-Hop und Blues variiert, zum Teil konnte das Publikum die Gesangseinlagen auch auf Zuruf anordnen, worauf die Akteure Balladen über Steuern und deren Hinterziehung zum Besten gaben.
Das letzte Rätsel um Paderborn (»Unser Bischof ist eine Frau«) wurde ebenso gelüftet wie das Geheimnis um Marias jungfräuliche Empfängnis. Dass vorwiegend in Englisch agiert wurde, tat dem Spaß an der Sache keinen großen Abbruch, zumindest nicht dem, der dieser Sprache halbwegs mächtig ist.
Das Publikum durfte per Handzeichen entscheiden, welche der beiden Mannschaften die jeweils bessere Leistung abgeliefert hatte. Entsprechend den gezeigten Darbietungen gab es mal weniger, doch meistens mehr Punkte.
Am Ende zogen die Holländer den Kürzeren und fahren nun nicht zur Impro-WM, aber das Gefühl des Zuschauens kennen sie ja irgendwoher. Und dass man nicht immer gewinnen kann, wissen sie spätestens seit dem WM-Finale 1974.

Artikel vom 13.09.2005