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In die Einzelteile zerlegt

Snorri Gudjonsson versuchte vergeblich Ruhe ins Mindener Angriffsspiel zu bringen. Dadurch lief man Flensburg förmlich ins offene Messer.

Flensburg deklassiert GWD mit 38:20 - Minden jetzt zum THW Kiel

Flensburg/Minden (WB/Kru). Es war ein Spiel für die Flensburger Bundesliga-Statistik, denn am Ende stand der fünfthöchste Heimsieg der Nordlichter im Handball-Oberhaus zu Buche. Leidtragender war das Team von Richard Ratka, das vor 6200 begeisterten Fans in der »Hölle Nord« förmlich in die Einzelteile zerlegt wurde. GWD Minden war chancenlos, kam mit 20:38 (12:23) unter die Räder.

Standing Ovations kurz vor dem Anpfiff, Riesenbegeisterung während der 60 Minuten: die SG Flensburg-Handewitt inszenierte beim ersten Bundesliga-Heimspiel der Saison 2005/2006 eine Handball-Gala, die auch Manager Thorsten Storm lächeln ließ. Noch mehr aber die Stimmung in der »Hölle Nord«. »Man merkte, dass die Region nach Handball gelechzt hat«, sagte der Geschäftsführer.
Viele der SG-Fans schauten zunächst ein wenig verblüfft auf das Parkett. Im rechten Rückraum leuchtete das Trikot mit der »26«. Igor Kos war von Beginn an im Match, da Marcin Lijewski eine Entzündung im Sprunggelenk auskurieren sollte. »Ich hatte überlegt, auch Kasper Nielsen auf dieser Position zu bringen«, verriet SG-Coach Kent-Harry Andersson nach dem Schlusspfiff. »Aber das musste ich gar nicht, Igor hat seine Sache sehr gut gemacht.« Der Kroate war am Blitzstart der SG stark beteiligt. Zwei Tore, ein Anspiel an den Kreis - da hieß es bereits 6:1. Ebenfalls überraschend: Michael V. Knudsen tauchte auch in der Start-Formation auf. Ursprünglich sollten Johnny Jensen und Glenn Solberg, der norwegische Mittelblock, wegen der langjährigen Erfahrung zusammen agieren. Doch 30 Minuten vor dem ersten SG-Angriff entschied sich Kent-Harry Andersson instinktiv um. Bereut hat er es nicht. »Mich hat sehr gefreut, wie konzentriert wir das Spiel geführt haben«, sagte der schwedische Trainer. »Man hat gar nicht gespürt, dass mit Blazenko Lackovic und Marcin Lijewski zwei Weltklasse-Leute auf der Bank saßen - das spricht für unsere Breite.«
Nur sehr kurzfristig bäumte sich GWD auf, verkürzte bis zur 13. Minute auf 7:9, als sich Flensburg einige Unkonzentriertheiten erlaubt, um anschließend aber die nächsten zehn Zeiger-Umdrehungen mit 0:8 sang- und klanglos abzugeben. Richard Ratka sah, wie seine Taktik aus den Fugen geriet. »Wir wollten lange Angriffe fahren und das Spiel dadurch langweilig machen«, ärgerte sich der ehemalige Nationalspieler. »Stattdessen haben wir den offenen Schlagabtausch gesucht - das ist gegen so eine Spitzen-Mannschaft völlig vermessen.« Die Gäste aus Minden fanden einfach keine Mittel gegen die gut stehende Flensburger Defensive und den starken Jan Holpert im Tor. Kurz vor Ertönen der Halbzeitsirene hatte Stryger den Vorsprung auf 23:12 erhöht, für die hilflosen Mindener bahnte sich bereits ein Debakel an.
In der zweiten Halbzeit wuchs die Führung des Gastgebers schnell auf 25:12 an, Minden war selbst in Überzahl nicht torgefährlich. Die Flensburger nahmen nun einen Gang heraus und spielten nicht mehr mit der letzten Konsequenz. Die Zuschauer sahen dennoch eine unterhaltsame Begegnung, immer wieder begeisterte der Gastgeber seine Fans mit sehenswerten Aktionen. Im Tor knüpfte Dan Beutler in der zweiten Halbzeit nahtlos an die gute Leistung von Holpert an. Die Gäste konnten einem wirklich Leid tun. Mit nur sieben Feldspielern angereist, war gegen diese SG kein Kraut gewachsen. Zwar reduzierten die Hausherren nach dem Pausentee ein wenig die Tor-Frequenz, der Vorsprung wuchs aber auch mit dem Griff in die Trickkiste kontinuierlich. Visueller Höhepunkt im gegnerischen Kreis: Ein Querpass von Sören Stryger auf den heranfliegenden Goran Sprem.
»Das war eine echte Hausnummer, gar keine Frage. Flensburg war einfach zu mächtig für uns. Natürlich haben wir an diesem Paket zu knacken. Das muss man erst mal verdauen«, so Richard Ratka, der noch einen Tag nach dem Debakel bei der Wiederholung des Ergebnisses Atemnot zu bekommen schien. »Aber uns wird diese Niederlage nicht vom Stuhl hauen. Mittwoch gegen Kiel müssen wir mit einem ähnlichen Spiel rechnen. Auch da werden wir wohl ohne Dima und Schäpi nur mit sieben Feldspielern antreten können. Für meine Jungs geht es jetzt in erster Linie darum, zu lernen, dass sie vorn geduldig spielt und lange Angriffe fährt. Wir müssen einfach viel cleverer und ruhiger werden.«

Artikel vom 12.09.2005